03.03.23

Verbrenner-Aus vor dem Aus?

Angesichts der Forderung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing nach konkreten Vorschlägen der EU-Kommission zur Zukunft von E-Fuels steht die finale Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten über das Verbot der Neuzulassung von Pkw und Kleintransportern mit Verbrennungsmotoren ab 2035 auf der Kippe. Steht damit das Verbrenner-Aus vor dem Aus? Kann der drohende Flurschaden für Deutschlands Standing in der EU begrenzt werden?

Nachdem das Europäische Parlament und der Rat im Rahmen von Trilog-Verhandlungen bereits am 27. Oktober 2022 eine vorläufige Einigung zu der Verordnung über die CO2-Emissionsnormen für neue Pkw und Kleintransporter erzielt hatten (s. cepAktuell v. 28.10.2022), galt eigentlich die finale Annahme durch die beiden EU-Gesetzgebungsorgane als reine Formsache. Während das Europäische Parlament bereits im Februar seine endgültige Zustimmung erteilt hatte, wackelt nun bei der eigentlich für den 7. März geplanten Abstimmung im Rat die erforderliche qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing fordert zuvor konkrete Vorschläge von der EU-Kommission für die Zulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab 2035, die ausschließlich CO2-neutral hergestellte E-Fuels verwenden. Dabei beruft er sich auf Erwägungsgrund 9a des Verordnungsentwurfs und eine Zusage des Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans, entsprechende Optionen prüfen zu wollen, ohne dass dieser jedoch hierfür einen konkreten Zeitpunkt genannt hatte. Sollte sich Deutschland enthalten, könnte das Nein weniger Mitgliedstaaten wie Italien, Bulgarien und Polen das vorläufige Aus für dieses zentrale Element der "Fit-for-55"-Klimagesetzgebung der EU bedeuten.

Das cep hat von Anfang an davor gewarnt, dass durch das pauschale Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 ein industriepolitischer Kahlschlag ohne klimapolitischen Nutzen droht (cepAnalyse 6/2022): Das europäische Verbrenner-Aus berücksichtigt nicht die Situation auf dem Weltmarkt. Da in Schwellen- und Entwicklungsländern noch lange nach 2035 eine Nachfrage nach Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren herrschen wird, werden diese künftig verstärkt außerhalb der EU gebaut werden. Folglich werden Arbeitsplätze in der europäischen Automobilindustrie - vor allem in Entwicklungsabteilungen und Zulieferbetrieben - wegfallen. Dagegen hätte der frühere Kompromissvorschlag der Umweltminister Bulgariens, Italiens, Portugals, Rumäniens und der Slowakei sowie des Industrieausschusses des EU-Parlaments, den CO2-Flottengrenzwert 2035 nur auf 90% zu senken, Anreize zu weiteren Effizienzsteigerungen bei Verbrennern gesetzt. Die europäischen Fahrzeughersteller und Zulieferer hätten in der EU entwickelte innovative und effiziente Technologien auf dem Weltmarkt anbieten können, die mit E-Fuels oder Biokraftstoffen betrieben werden können. Das cep hat mehrfach darauf hingewiesen, dass insoweit die im Erwägungsgrund 9a des zur Abstimmung anstehenden Verordnungsvorschlags verankerte vage Aussicht auf einen Kommissionsvorschlag für eine nach 2035 erfolgende Zulassung von Fahrzeugen, die ausschließlich mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, der europäischen Automobilindustrie keine Planungssicherheit bietet.

Dass diese Warnungen ignoriert wurden, ist umso bedauerlicher, als das nun nahezu abgeschlossene EU-Gesetzgebungsverfahren vielfach Gelegenheit geboten hätte, zu diesen zentralen Fragen Klarheit zu schaffen und einen für alle Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden. Es bleibt zu hoffen, dass sich der europapolitische Flurschaden in Grenzen halten wird, der leider durch die auch in diesem EU-Dossier erneut deutlich werdende Unfähigkeit droht, sich innerhalb der Bundesregierung rechtzeitig auf eine tragfähige deutsche Position zu einigen. Dies schwächt nachhaltig das Vertrauen der europäischen Partnerländer in die Zuverlässigkeit der Bundesregierung und damit Deutschlands Standing in der Europäischen Union insgesamt.

Dr. Götz Reichert, LL.M

cep-Fachbereichsleiter Energie | Umwelt | Klima | Verkehr