08.10.20

Urteil zur Grundsicherung für EU-Ausländer

Der EuGH gewährt arbeitslosem EU-Bürger Anspruch auf Grundsicherung aufgrund des Schulbesuchs der Kinder (Rechtsache C-181/19).

Die Große Kammer des EuGH hat am 6. Oktober 2020 entschieden, dass eine nationale Regelung, die arbeitslosen EU-Ausländer unter allen Umständen und automatisch von Leistungen der sozialen Sicherung ausschließt, gegen EU-Recht verstößt.

Geklagt hatte ein polnischer Staatsangehöriger. Dieser hatte zwei Jahren in Deutschland gearbeitet und wurde anschließend arbeitslos Er erhielt daraufhin für fast ein Jahr Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für seine Kinder, bekam aber keine Weiterbewilligung über diesen Zeitraum hinaus. Das zuständige Jobcenter lehnte den Antrag auf Weiterbewilligung mit der Begründung ab: Es liege kein Arbeitnehmerstatus vor und der Aufenthalt erfolge lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland.

Der EuGH hat in seinem Urteil ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für den Kläger aufgrund des Schulbesuchs der Kinder abgeleitet. Zwar stützte sich ursprünglich das Aufenthaltsrecht der Kinder und deren Zugang zum Unterricht auf die Arbeitnehmereigenschaft des Vaters, aber das Aufenthaltsrecht der Kinder erwächst zu einem eigenständigen Recht und besteht über den Verlust seiner Arbeitnehmereigenschaft hinaus. Grundlage dafür sei das Recht auf die "gleichen sozialen Vergünstigungen" aus der Verordnung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Recht auf Gleichbehandlung aus der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Anders sei die Situation von Personen, die eine Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat suchen und deren Aufenthaltsrecht sich ausschließlich daraus ableite. Diesen Personen kann der Aufnahmemitgliedstaat weiterhin Sozialhilfeleistungen vorenthalten.

Das vorliegende Urteil bestätigt die Judikatur des EuGH zum Recht von EU-Bürgern auf gleiche soziale Vergünstigungen und stellt klar, dass der Schulbesuch der Kinder eine ausreichende Verbindung zu dem Aufnahmemitgliedstaat darstellt und leitet daraus ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ab.

Für Deutschland bedeutet das Urteil, dass § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. c) SGB II geändert werden muss. Derzeit laufen aufgrund von Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland auch Diskussionen um Änderungen am Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern.