13.12.22

Trilog-Einigung auf „EU-Klimazoll“ (CBAM): Kernprobleme bleiben ungelöst

Am 13. Dezember 2022 haben das Europäische Parlament und der Rat im Rahmen von Trilog-Verhandlungen eine vorläufige Einigung zum CO2-Grenzausgleich (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) erzielt. Dieser „EU-Klimazoll“ ist ein Kernstück des „Fit-for-55“-Klimapakets, mit dem die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% gegenüber 1990 senken will.

Durch die Erhebung einer Art „EU-Klimazoll“ auf bestimmte Waren, die in die EU importiert werden, sollen Wettbewerbsnachteile von europäischen Unternehmen aufgrund klimaschutzbedingter Mehrkosten des EU-Emissionshandelssystems (EU-EHS) ausgeglichen werden. Dies soll dadurch erreicht werden, dass in die EU importierende Unternehmen so genannte „CBAM-Zertifikate“ erwerben müssen, um die Differenz zwischen dem im Produktionsland niedrigeren oder gar nicht anfallenden CO2-Preis und dem Zertifikatspreis im EU-EHS zu zahlen (s. cepAnalyse 5/2022). Der CBAM soll ab Oktober 2023 – in einer Übergangszeit nur mit der Verpflichtung zur Meldung der benötigten CBAM-Zertifikate – eingeführt werden und folgende Produkte umfassen: Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Elektrizität und Wasserstoff sowie einige Vorprodukte und eine begrenzte Anzahl von nachgelagerten Produkten. Auch indirekte CO2-Emissionen würden in einer „genau umgrenzten Weise“ erfasst.

Um einen doppelten Schutz der EU-Industrie zu vermeiden, werden die Länge der Übergangszeit und die vollständige Einführung des CBAM an das geplante Auslaufen der kostenlosen Zertifikate im Rahmen des EU-EHS gekoppelt. Dies muss noch im Rahmen der laufenden Verhandlungen über das EU-EHS vereinbart werden. Noch ungeklärt sind Maßnahmen zur Verhinderung der Verlagerung von Produktion und CO2-Emissionen („Carbon Leakage“) bei Exporten.

cep Bewertung:

Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments Mohammed Chahim lobte den geplanten CBAM irrtümlich als „[…] Alternative zu unseren derzeitigen Carbon-Leakage-Schutzmaßnahmen, die es uns ermöglichen wird, das Verursacherprinzip auf unsere eigene Industrie anzuwenden.“ Dies verkennt, dass der EU-Emissionshandel nicht auf die Verwirklichung des Verursacherprinzips abzielt. Vielmehr zielt er darauf ab, CO2-Emissionen sowohl wirksam als auch möglichst kostengünstig zu reduzieren. Statt also alle Industrieanlagen dazu zu zwingen, im Gleichschritt jährlich die gleiche CO2-Reduktion zu unnötig hohen Kosten zu erbringen, wird nur die Gesamtmenge der Emissionsminderung durch die sinkende Menge an Zertifikaten festgelegt. Dann können die Unternehmen über den Emissionshandel unter sich aushandeln, wer die CO2-Reduktion am kostengünstigsten erbringt. Dieses Prinzip funktioniert auch mit der Gewährung von Freizertifikaten. Denn ein Unternehmen wird immer dann dekarbonisieren, wenn seine CO2-Vermeidungskosten geringer sind als der Zertifikatspreis. Der Emissionshandel setzt dabei schon jetzt die gleichen Anreize für Unternehmen zu dekarbonisieren wie nach der Einführung des CBAM, wenn alle Zertifikate erworben werden müssen. Denn wer Zertifikate frei zugeteilt bekommt, kann seine Zertifikate verkaufen und damit die Dekarbonisierungsinvestition finanzieren, falls der Zertifikatspreis entsprechend hoch ist. Das Freizertifikat schützt ihn aber andernfalls vor ausländischer Konkurrenz, die keine oder geringere CO2-Kosten zu tragen hat.

Daher ist die Notwendigkeit der Einführung eines CBAM als Ersatz für Freizertifikate zum Schutz vor Carbon Leakage Augenwischerei. Zudem kann ein CBAM nur ungenau die in Produkten „eingebetteten“ CO2-Emissionen widerspiegeln oder Manipulationen verhindern. Daher bietet er als Carbon-Leakage-Schutz keinen vollständigen Ersatz für die auslaufenden Freizertifikate (s. cepStudie v. 13. Juli 2021). Vor allem für den Exportsektor ist auch nach der nun erzielten vorläufigen Trilog-Einigung immer noch keine funktionierende Lösung in Sicht, die auch mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar wäre. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass der Exportsektor ohne Lösung dastehen wird und schlussendlich massive Wettbewerbsnachteile auf den Weltmärkten erleidet. Darüber hinaus gibt es ernsthafte Befürchtungen, dass die EU mit ihrem CBAM Handelskonflikte heraufbeschwören wird. Selbst die angebliche WTO-Kompatibilität des CBAM ist umstritten, und entsprechende Klagen werden unter der Hand von einigen Mitarbeitern der WTO als ein „völliger Albtraum“ angesehen. Auch der Weg zu einem internationalen Klimaclub, wie er nun von den G7-Staaten angestrebt wird, kann dadurch versperrt werden. Ein Klimaclub mit einem CO2-Mindestpreis wäre nicht mit einem schwankenden Preis für Emissionszertifikate und CBAM-Zertifikate kompatibel und würde zu Carbon Leakage nicht nur zu Nichtmitgliedern sondern auch zu Clubmitglieder mit dem niedrigeren Mindestpreis führen.

Dabei gibt es bessere Wege, die gewünschten Klimaziele unter Beibehaltung der Wettbewerbs­fähigkeit der europäischen Industrie zu erreichen und andere Länder zu einer Verstärkung ihrer Klimaschutzanstrengungen anzuregen (hierzu umfassend: „Why the EU Should Abandon Its Unilateral ‘Carbon Toll’“, Common Ground of Europe v. 16. November 2022). Es bleibt nur zu hoffen, dass noch irgendjemand die Notbremse zieht und die CBAM-Pläne der EU entsprechend modifiziert werden.

Dr. Martin Menner

cep-Experte EU-Klimapolitik