13.06.23

Sustainable Finance-Paket: ESG-Ratings, Berichtsstandards und Erweiterung der grünen Taxonomie

Die Kommission hat am 9. und am 13. Juni 2023 weitere Maßnahmen zur Vollendung ihrer Sustainable Finance Agenda präsentiert. Diese betreffen im Wesentliche fünf Teilbereiche:

1) Vorschlag für eine Verordnung zu ESG-Ratings

Die Kommission hat am 13. Juni 2013 einen Rechtsrahmen für die Regulierung von ESG-Ratings vorgelegt, die von ESG-Ratinganbietern erstellt und öffentlich gemacht werden. ESG-Ratings dienen der Meinungsbildung über die Exposition eines Unternehmens oder einer Einrichtung gegenüber ökologischen, sozialen und/oder die Governance betreffenden Faktoren und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Solche Ratings sind bis dato weitgehend unreguliert.

Nun schlägt die Kommission u.a. vor, dass ESG-Ratinganbieter künftig einem Zulassungsprozess bei der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) unterliegen und diese dann auch für deren Aufsicht zuständig sein soll. Auch schafft sie Regelungen für ESG-Ratinganbieter aus Drittstaaten, die in der EU Ratings abgeben wollen. Zudem etabliert sie Vorgaben, die die Integrität und Verlässlichkeit der ESG-Ratings sicherstellen sollen. Dazu zählt etwa die Vorgabe, dass die Anbieter nicht gleichzeitig Beratungsdienstleistungen gegenüber Investoren und Unternehmen anbieten dürfen, zu denen sie auch ein Rating ausarbeiten. Auch sollen sie keine Kreditratings erstellen dürfen und die Verwaltung von Benchmarks ist ebenfalls tabu. Damit soll insbesondere Interessenkonflikten vorgebeugt werden. Zudem müssen die Analysten und Mitarbeiter der Anbieter über die nötigen Kenntnisse zur Abgabe von ESG-Ratings verfügen. Um die Vergleichbarkeit von ESG-Ratings zu fördern und die Transparenz zu stärken, sollen die Anbieter zudem verpflichtet werden, die Öffentlichkeit und ihre Kunden über die Methoden, Modelle und grundsätzlichen Annahmen bei der Erstellung der Ratings informieren. Und nicht zuletzt sollen die ESG-Ratinganbieter verpflichtet werden, dass sie nur Gebühren von ihren Kunden verlangen dürfen, die "fair, angemessen, transparent und nicht diskriminierend" sind. Sie müssen zudem auf den tatsächlichen Kosten basieren.

Jetzt sind das Europäische Parlament und der Rat am Zug. Sie müssen zunächst ihre jeweilige Positionen zu dem Verordnungsvorschlag festzurren, bevor im Anschluss die Trilogverhandlungen starten können. Die Erzielung eines Kompromisses zwischen den beiden Institutionen vor den EP-Wahlen im kommenden Jahr dürfte jedoch nicht einfach werden.

2) Erster Satz an Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Seit dem 5. Januar 2023 ist die neue Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) in Kraft. Die CSRD ersetzt die Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (NFRD, 2014/95/EU) und verpflichtet insbesondere große Unternehmen und börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dazu, in ihre Lageberichte nachhaltigkeitsbezogene Informationen aufzunehmen.

In der CSRD ist festgelegt, dass die Kommission, unter Berücksichtigung von Vorarbeiten der Europäischen Beratungsgruppe für Rechnungslegung (EFRAG), mehrere delegierte Rechtsakte erlassen muss, um den Inhalt und die Struktur der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu konkretisieren.

Bis zum 30. Juni 2023 muss die Kommission einen ersten Satz an branchenunabhängigen Berichtsstandards erlassen. Sie gelten für alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der CSRD fallen, unabhängig davon, in welchen Sektoren die jeweiligen Unternehmen tätig sind. Zu diesen Berichtsstandards hat die EFRAG bereits im November 2022 eine technische Stellungnahme vorgelegt.

Am 9. Juni 2023 hat die Kommission nun einen Entwurf des delegierten Rechtsakt zu dem ersten Satz an Berichtsstandards veröffentlicht. Er enthält zwei bereichsübergreifende Standards sowie insgesamt zehn Standards zu ökologischen, sozialen und die Governance betreffenden Aspekten. Die Kommission betont, dass der Berichtsumfang im Vergleich zu den Vorarbeiten der EFRAG nochmals verringert und verhältnismäßiger ausgestaltet werden soll. Zudem sollen zusätzliche Übergangsfristen geschaffen werden und bestimmte Angaben nicht verpflichtend, sondern freiwillig sein.

Der erste Satz an Berichtsstandards soll für all jene Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen, bereits ab dem 1. Januar 2024 gelten. Für alle anderen der CSRD unterliegenden Unternehmen werden sie zu späteren Zeitpunkten schrittweise gültig. Börsennotierte KMU können auch auf Basis separater Standards berichten, die die Kommission bis Ende Juni 2024 annehmen wird.

Zu dem Entwurf des delegierten Rechtsakts können Interessenträger noch bis zum 7. Juli Stellung nehmen.

3) Delegierte Rechtsakte zur Etablierung einer Umwelttaxonomie sowie zur Ergänzung der Klimataxonomie

Im Juni 2020 ist die Verordnung zur Schaffung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen ("grüne Taxonomie", s. cepAnalyse) in Kraft getreten. Sie legt Bedingungen fest, die erfüllt sein müssen, damit eine Wirtschaftstätigkeit als "ökologisch nachhaltig" gelten kann. Hierfür muss die Wirtschaftstätigkeit insbesondere "wesentlich" zu mindestens einem von sechs Umweltzielen beitragen und darf keines dieser sechs Umweltziele "erheblich" beeinträchtigen. Die sechs Umweltziele sind

(1) der Klimaschutz,

(2) die Anpassung an den Klimawandel,

(3) die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,

(4) der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,

(5) die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, und

(6) der Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Am 4. Juni 2021 nahm die Kommission bereits einen ersten delegierten Rechtsakt mit technischen Bewertungskriterien zu den ersten beiden klimabezogenen Umweltzielen an [Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139, "Klimataxonomie"]. Im Rahmen eines weiteren delegierten Rechtsakts wurde die Klimataxonomie am 9. März 2022 erweitert und um Bewertungskriterien über bestimmte Tätigkeiten zur Energieerzeugung aus Kernenergie und Erdgas ergänzt [Delegierte Verordnung (EU) 2022/1214, s. cepInput].

Am 13. Juni 2023 hat die Kommission nun zwei weitere delegierte Rechtsakte zur Ausgestaltung der grünen Taxonomie grundsätzlich angenommen:

In einem ersten delegierten Rechtsakt wird die "Klimataxonomie" erneut angepasst. Ziel ist es, technische Bewertungskriterien für bestimmte Wirtschaftstätigkeiten festzulegen, die bisher keine Berücksichtigung in der Klimataxonomie gefunden haben. Dabei geht es u.a. um Produktionstätigkeiten rund um kohlenstoffarme Verkehrsmittel und elektrische Geräte, sowie bestimmte Übergangstätigkeiten im Verkehrssektor (Schifffahrt und Luftfahrt).

In einem zweiten delegierten Rechtsakt werden die ersten technischen Bewertungskriterien für nicht klimabezogenen Umweltziele 3 bis 6 festgelegt ("Umwelttaxonomie"). In dem Rechtsakt konzentriert sich die Kommission zunächst auf Wirtschaftstätigkeiten in den Bereichen verarbeitendes Gewerbe, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung und -beseitigung, Hoch- und Tiefbau, Katastrophenschutz, Information und Kommunikation, Umweltschutz sowie Beherbergungsgewerbe. Die Bewertungskriterien zu anderen Wirtschaftstätigkeiten, z.B. Land- und Forstwirtschaft oder Fischerei, will sie erst zu einem späteren Zeitpunkt festlegen.

Die förmliche Annahme der beiden Rechtsakte steht noch aus. Sie wurden nun von der Kommission zunächst nur im Grundsatz gebilligt. Sobald sie in alle EU-Amtssprachen übersetzt wurden, wird die Kommission sie förmlich annehmen. Dann haben der Rat und das Europäische Parlament maximal sechs Monate Zeit, sie zu prüfen und ggf. Einwände zu erheben.

4) Empfehlung zur Übergangsfinanzierung ("transition finance")

In einigen Sektoren sind heute kaum oder keine wirklich grünen Technologien verfügbar. Bei der Übergangsfinanzierung geht es nun darum, "übergangsweise" auch Investitionen zu unterstützen, die zu einer Verringerung hoher Treibhausgasemissionen oder anderer Umweltbelastungen führen. Im Rahmen einer unverbindlichen Empfehlung will die Kommission den Unternehmen der Realwirtschaft und des Finanzsektors Wege aufzeigen, wie sie den Sustainable Finance Rechtsrahmen nutzen können, um auch solche Investitionen anzuregen. Dies soll auf Basis von Leitfäden und der Bereitstellung von Praxisbeispielen erreicht werden. Die Kommission fokussiert dabei insbesondere auf alle jene Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsbilanz noch verbesserungswürdig ist und nicht so sehr auf solche, die bereits eine gute Bilanz aufweisen.

5) Stärkung der Nutzerfreundlichkeit der EU-Taxonomie und des EU-Rahmens zur nachhaltigen Finanzierung

Die Kommission hat am 13. Juni 2023 ferner ein Arbeitsdokument veröffentlicht, welches einen Überblick über die wichtigsten Säulen des Sustainable Finance Rechtsrahmens gewähren soll. Es soll den betroffenen Akteure zudem eine Hilfestellung bei der Umsetzung der verschiedenen und teils komplexen Vorschriften gewähren und Probleme bei der Nutzerfreundlichkeit des Rechtsrahmens adressieren. Ferner hat die Kommission eine Reihe von Dokumenten veröffentlicht, um häufig gestellten Fragen (FAQ) zur Anwendung der Taxonomie und zu den vielfältigen Offenlegungsanforderungen zu klären. Ein weiteren Bestandteil des Pakets ist die Veröffentlichung eines EU-Taxonomie-Benutzerleitfadens. Dieser soll Nichtfinanz- und Finanzunternehmen dabei unterstützen, u.a. die Taxonomiefähigkeit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten besser beurteilen zu können.

Ansprechpartner

Philipp Eckhardt

Wissenschaftlicher Referent Finanzmärkte

Tel.: +49 761 38693-241

eckhardt(at)cep.eu