29.10.20

Rechtliche Hürden bei EU-Mindestlöhnen

Die EU-Kommission hat eine lang angekündigte Initiative zum europäischen Mindestlohn veröffentlicht: Vorgeschlagen wurde eine Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der EU.

Mit der Richtlinie zu europäischen Mindestlöhnen sollen Arbeitnehmer in der EU durch „angemessene Mindestlöhne“ geschützt werden, die ihnen am Ort ihrer Arbeit einen „angemessenen Lebensstandard“ ermöglichen. Dafür müssen alle Mitgliedstaaten Tarifverhandlungen über Löhne fördern [Art. 3 COM(2020) 628 final]. Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen müssen stabile und klare Kriterien für die Festlegung des Mindestlohns, Richtwerte für die Bewertung der Angemessenheit vorsehen sowie regelmäßige und rechtzeitige Aktualisierungen der Mindestlöhne durchführen. Sozialpartner sind bei der Festlegung und Aktualisierung der Mindestlöhne einzubeziehen [Art. 5–7 COM(2020) 628 final].

 

Laut Kommission achtet der Vorschlag die nationalen Traditionen und die Tariffreiheit der Sozialpartner uneingeschränkt. Viele Sozialpartner, insbesondere im Norden Europas, sehen mit dem verbindlichen Instrument einen starken Eingriff in deren Tariffreiheit.

 

Aus juristischer Sicht ist die Lage eindeutig: Mit dem Vorschlag für eine Richtlinie überschreitet die EU ihre Kompetenzen. Denn das Arbeitsentgelt ist ausdrücklich aus der sozialpolitischen Kompetenz der EU ausgenommen [Art. 153 Abs. 5 AEUV, siehe auch cepInput vom 2. Mai 2020]. Mit dem Vorschlag verstößt die EU nicht nur gegen den Wortlaut des EU-Vertrages, sondern missachtet die Zuständigkeit der nationalen Staaten für das Arbeitsentgelt.