22.10.21

Nordstream 2: Bundesnetzagentur muss unabhängig entscheiden

Der Winter steht vor der Tür, die Gaspreise steigen in astronomische Höhen, und in Berlin und Brüssel wird heftig darüber diskutiert, ob Russland durch gedrosselte Gaslieferung die Genehmigung von Nordstream 2 erzwingen will. Äußerungen Vladimir Putins, man könne über diese neue Gaspipeline übermorgen ausreichend Gas liefern, wenn sie nur morgen endgültig genehmigt werden würde, mögen darauf hindeuten. Allerdings sind die Gründe für die gegenwärtige Zwangslage der Europäer vielfältig und durchaus auch hausgemacht, z.B. durch unzureichende Bestellungen während der vergangenen Monate. Eine schnelle Inbetriebnahme von Nordstream 2 kann vielleicht kurzfristig zu einer Senkung der hohen Gaspreise beitragen, ein Allheilmittel zur Lösung der gegenwärtigen Energiepreiskrise wäre sie jedoch nicht.

Grundsätzlich macht sich Europa nicht dadurch zwangsläufig von Russland abhängig, dass mit Nordstream 2 eine zusätzliche Gaspipeline zur Verfügung stehen würde. Für die europäische Energieversorgungssicherheit kommt es mittel- bis langfristig vielmehr darauf an, insgesamt für mehr Vielfalt sowohl bei den genutzten Energieträgern als auch den Energielieferanten zu sorgen. Zudem sorgt der EU-Energiebinnenmarkt dafür, dass Energie zunehmend innerhalb der EU möglichst frei fließen und gehandelt werden kann. Die europäischen Verbraucher profitieren auf lange Sicht von dem so geschaffenen Preiswettbewerb. Diesen wettbewerblich organisierten EU-Energiebinnenmarkt bezweckt das geltende EU-Energierecht.

Womit wir wieder bei Nordstream 2 wären: Die Frage, ob die Gaspipeline in Betrieb gehen darf, prüft derzeit die deutsche Bundesnetzagentur. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Nordstream 2 AG als Pipelinebetreiberin beim Pipelinebetrieb hinreichend unabhängig von ihrem Mutterkonzern Gazprom ist, um Konkurrenzunternehmen nicht wettbewerbswidrig zu benachteiligen. Da Gazprom zugleich auch der Gaslieferant für Nordstream 2 ist, gibt es insoweit viele Fragezeichen. Die Bundesnetzagentur muss vor ihrer Entscheidung, die sie bis spätestens 8. Januar 2022 treffen muss, zwar Stellungnahmen des Bundeswirtschaftsministeriums und der Europäischen Kommission einholen. Entscheidend ist jedoch, dass sie bei ihrer Entscheidungsfindung – zumindest rein rechtlich - unabhängig und nur dem EU-Energierecht verpflichtet ist. Angesichts der derzeitigen Lage ist sie um diese Aufgabe nicht zu beneiden.

Dr. Götz Reichert, cep-Energiexperte