16.01.19

„NO“ zum Brexit-Deal

Wie geht es weiter, nachdem das britische Unterhaus den Entwurf des EU-Austrittsvertrags am. 15. Januar mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hat?

Verschiedene Szenarien werden jetzt diskutiert, etwa Neuwahlen oder ein zweites Referendum. Darüber hinaus möchte das cep ein weiteres Szenario in die Diskussion einbringen: Eine zeitliche Verschiebung des Brexits, um zwischen der EU und Großbritannien neben dem Austrittsvertrag auch einen Vertrag über die zukünftigen Beziehungen auszuhandeln, anstatt der bisher vereinbarten „politischen Erklärung“.

Warum sollte das passieren? Der Austrittsvertrag wurde vom britischen Unterhaus u.a. wegen des „Backstops“ abgelehnt. Der Backstop soll eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindern, falls die EU und Großbritannien sich nicht auf einen Vertrag über die zukünftigen Beziehungen einigen können. Der Backstop kann aber überhaupt nur dann in Kraft treten, wenn das Austrittsabkommen von beiden Seiten ratifiziert wird. Das britische Unterhaus hat dies bisher abgelehnt. Ohne Austrittsabkommen aber wird es keinen Backstop geben, sondern – falls nichts Anderes passiert – nur einen harten Brexit.

Sowohl das Inkrafttreten des Backstops als auch ein harter Brexit könnten verhindert werden, wenn die EU und Großbritannien neben dem Austrittsvertrag auch einen Vertrag über die zukünftigen Beziehungen aushandeln und unmittelbar nacheinander ratifizieren würden. In diesem Fall könnte Großbritannien gewissermaßen direkt – ohne Übergangsphase und Backstop – vom Status der EU-Mitgliedschaft in den Status einer vertraglich geregelten engen Partnerschaft mit der EU wechseln.

Dafür sieht das cep zwei mögliche Szenarien:

Szenario 1: Das Vereinigte Königreich könnte eine Verlängerung der Frist nach Art. 50 EUV beantragen. Die EU könnte sich darauf einlassen, weil dadurch ein harter Brexit zumindest vorerst verhindert würde. Großbritannien würde Zeit gewinnen und könnte im Fall einer Einigung mit der EU über die zukünftigen Beziehungen direkt von einem Status in den anderen wechseln. Auf einen Backstop könnte also verzichtet werden.

Szenario 2: Das Vereinigte Königreich zieht die Austrittserklärung nach Art. 50 EUV zurück, aber nimmt sofort Verhandlungen mit der EU über einen Austrittsvertrag und über einen Vertrag über die zukünftigen Beziehungen auf. Kommt eine Einigung zustande, die idealerweise eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert, würde Großbritannien erneut den Austritts nach Art. 50 EUV erklären und innerhalb einer kurzen Frist austreten, ohne Übergangsphase und Backstop.

Was wären die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Szenarien?

Beide würden darauf hinauslaufen, dass im Fall einer Einigung ein geordneter Brexit ohne Backstop vollzogen werden könnte. Außerdem könnten bei beiden die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen auch scheitern. Bei Szenario 1 könnten sowohl die EU als auch Großbritannien in Fall des Scheiterns der Verhandlungen eine weitere Verlängerung der Frist nach Art. 50 ablehnen. Es käme zu einem harten Brexit. Bei Möglichkeit 2 bliebe Großbritannien im Fall des Scheiterns der Verhandlungen vorerst Mitglied der EU. Es käme zu keinem harten Brexit. Großbritannien könnte aber jederzeit erneut eine Austrittserklärung nach Art 50 EUV abgeben.

Beide Möglichkeiten bedeuten, dass die Gefahr eines harten Brexits zumindest zeitlich nach hinten verschoben werden würde, auch wenn ein harter Brexit nicht per se ausgeschlossen werden kann.

Aus beiden Szenarien würde auch folgen, dass Großbritannien an den Europawahlen 2019 teilnehmen würde, obwohl es die EU eigentlich verlassen will.

Beide Möglichkeiten setzen aber vor allem die entsprechende Bereitschaft der EU voraus, zeitgleich mit dem Austrittsvertrag auch einen Vertrag über die zukünftigen Beziehungen auszuhandeln. Bisher hatte die EU dies abgelehnt. Die EU müsste also ihre Verhandlungstaktik ändern. Als letzten Ausweg zur Verhinderung eines harten Brexits sollte ein solches Vorgehen vielleicht in Erwägung gezogen werden.