24.02.23

Kommission mit Weichenstellungen für den Telekommunikationssektor

Die EU-Kommission hat am 23. Februar ein Bündel an Maßnahmen zur Zukunft des Telekommunikationssektors vorgestellt, bestehend aus insgesamt drei separaten Initiativen:

Seit 2014 gilt in der EU eine Richtlinie über die Senkung der Breitbandkosten (s. cepAnalyse). Sie hat zum Ziel den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation zu beschleunigen. Zudem soll sie die Kosten, die im Rahmen von Bauarbeiten zur Schaffung der notwendigen physischen Infrastrukturen (z.B: Leerrohre, Masten) anfallen, reduzieren helfen. Denn auf diese Arbeiten entfallen bis zu 70% der Kosten für den Netzausbau. Sie könnten jedoch nach Auffassung der Kommission insbesondere durch den Abbau von Ineffizienzen bei der Nutzung bestehender Infrastrukturen, eine bessere Koordinierung von Bauarbeiten, raschere und digitale Genehmigungsverfahren und durch die Vermeidung von Engpässen bei der Einrichtung der physischen Infrastruktur in Gebäuden weiter reduziert werden. Die Kommission will die Richtlinie daher nun durch ein Gigabit-Infrastrukturgesetz (Gigabit Infrastructure Act, GIA) ersetzen. Mit dem GIA sollen u.a.

  • ­ Bauarbeiten zur Errichtung physischer Infrastrukturen besser koordiniert werden, insbesondere auch über verschiedene Sektoren hinweg,
  • Genehmigungsprozesse beschleunigt werden, indem den zuständigen nationalen Behörden genaue Fristen für solche Genehmigungen gesetzt werden und Genehmigungen vollständig online gestellt werden können,
  • Informationen über bestehende Infrastrukturen und geplante Bauarbeiten online abrufbar sein, und
  • alle Neubauten und alle bestehenden Gebäude bei umfangreichen Renovierungsarbeiten mit Glasfaser ausgestattet werden müssen.

Der GIA soll mithin dazu beitragen, das auf EU-Ebene angestrebte Ziel, bis 2030 alle Haushalte und Unternehmen mit Gigabit- und schnellen Mobilfunknetzen zu versorgen, auch tatsächlich erreicht wird.

Gigabit-Empfehlung

Seit 2020 gilt auf EU-Ebene der Kodex für die elektronische Kommunikation [Richtlinie (EU) 2018/1972]. Teil dieser umfassenden Richtlinie sind auch Zugangsverpflichtungen, die die nationalen Regulierungsbehörden marktmächtigen Betreibern von elektronischen Kommunikationsinfrastrukturen auferlegen können. Die Behörden können damit verlangen, dass Wettbewerber regulierten Zugang zu den Netzen von Netzbetreibern erhalten, die über eine beträchtliche Marktmacht verfügen (s. dazu auch cepAnalyse). Die Gigabit-Empfehlung soll nun den nationalen Behörden unverbindliche Leitlinien an die Hand geben, unter welchen Bedingungen sie diesen regulierten Zugang auferlegen können. Sie ersetzt dabei bestehende Empfehlungen aus den Jahren 2010 zum regulierten Zugang zu Zugangsnetzen der nächsten Generation und 2013 zur Nichtdiskriminierung und Kostenrechnungsmethoden (s. dazu auch cepAnalyse). Das Ziel der Kommission ist dabei insbesondere Anreize für den beschleunigten Ausbau von Gigabit-Netzen zu schaffen und gleichzeitig eine zügigere Abkehr von alten Kupfernetzen zu erreichen. Die Kommission hat die Gigabit-Empfehlung nun an das Gremium der europäischen Regulierungsbehörden (GEREK) weitergeleitet. Das GEREK hat nun zwei Monate Zeit hat, zu der neuen Empfehlung Stellung zu beziehen. Anschließend kann die Kommission die Empfehlung beschließen.

Konsultation zur Zukunft des Konnektivitätssektors

Die Kommission hat zudem eine öffentliche Sondierungskonsultation vorgelegt. Im Rahmen der Konsultation will sie insbesondere in Erfahrung bringen, welche Telekommunikationsinfrastrukturen aufgrund der fortschreitenden technologischen Entwicklungen künftig benötigt werden und wie diese finanziert werden können. Ein Schwerpunkt der Konsultation ist, inwiefern sich Tech-Unternehmen, die für einen Großteil des Traffic im Internet verantwortlich sind, also etwa Netflix und Youtube, an den Kosten für den Ausbau der Infrastrukturen beteiligen sollten; im Sinne einer fairen Beteiligung („fair share“). Die Konsultation enthält zudem Fragen, wie sichergestellt werden kann, dass finanzschwache bzw. sozial bedürftige Verbraucher auch künftig Zugang zu grundlegenden Breitbanddiensten zu erschwinglichen Preisen haben können. Des Weiteren geht es etwa darum, ob Barrieren für eine grenzüberschreitende Konsolidierung des Telekommunikationssektors bestehen, inwiefern ein stärker integrierter Funkfrequenzmarkt in der EU Vorteile hätte und ob der Einfluss von Drittstaaten auf EU-Entscheidungen zur Harmonisierung von Funkfrequenzen Gefahren für die Souveränität der EU birgt.

Philipp Eckhardt, Fachbereich Informationstechnologien