14.07.21

Klimapaket „Fit for 55“: EU-Kommission pokert hoch

Bei ihrem Prestigeprojekt „Fit for 55“ pokert die EU-Kommission hoch: Ambitioniert will sie die europäische Klima- und Energiepolitik grundlegend überarbeiten und neu ausrichten, um die verschärften EU-Klimaziele zu erreichen. Nicht zuletzt angesichts stark steigender Zertifikatspreise ist die Reform des EU-Emissionshandels zentral. Dass zudem künftig die CO2-Emissionen von Verkehr und Gebäuden durch einen gesonderten Emissionshandel gesenkt werden sollen, erfüllt grundsätzlich eine langjährige Forderung des cep (cepAnalyse 30/2016; cepStudie v. 18.09.2019).

Hier – wie auch bei den anderen Kommissionsvorschlägen – steckt jedoch der Teufel im Detail. So sollte ein Teil der Zertifikatseinnahmen an die Bürger zurückfließen, um soziale Härten zu vermeiden (cepAnalyse 09/2021). Zudem ist es sowohl ökologisch fragwürdig als auch unnötig teuer, zusätzlich zu dem Emissionshandel für Gebäude und Verkehr auch die CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge weiter stark zu verschärfen und das Ende des Verbrennungsmotors bis 2035 hoheitlich zu verordnen. Dies zeigt exemplarisch, dass alle Einzelelemente des „Fit for 55“-Klimapakets – Emissionshandel, erneuerbare Energien, Energieeffizienz, alternative Kraftstoffe, Energiesteuern etc. – unbedingt besser aufeinander abgestimmt werden müssen.

Insgesamt besteht das große Risiko, durch gutgemeinte, aber schlecht gemachte EU-Regelungen das klimapolitische Blatt zu überreizen – und das wäre kontraproduktiv: Es schadet Wirtschaft und Klimaschutz, wenn die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU geschwächt wird, sodass Produktion in Drittstaaten mit laxeren Klimaschutzvorgaben abwandert und folglich die globalen CO2-Emissionen steigen.

Diese Carbon-Leakage-Gefahr besteht gerade bei dem neuen CO2-Grenzausgleich (CBAM), der Importe durch eine Klimaabgabe verteuern soll (cepStudie v. 13.07.2021). Hier pokert die Kommission besonders hoch – und sie kann sich dabei durchaus verzocken: Zum einen betritt die EU mit einem CO2-Grenzausgleich WTO-rechtliches Neuland, in dem zahlreiche Fallstricke lauern. Die sich dadurch bereits abzeichnenden Handelskonflikte dürften wenig hilfreich sein, um Staaten wie China, Russland oder die USA zu mehr Klimaschutz zu bewegen. Zum anderen soll es keinen CO2-Grenzausgleich zugunsten von EU-Exporteuren als Kompensation für die schrittweise entfallende Gratiszuteilung von Emissionsrechten geben. Da so europäische Unternehmen nur im EU-Binnenmarkt, nicht jedoch auf dem Weltmarkt vor billiger Konkurrenz geschützt sind, steigt das Carbon-Leakage-Risiko deutlich. Stattdessen sollte die EU ihre Anstrengungen verstärken, um CO2-Emissionen gemeinsam mit den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern – am besten durch einen globalen Emissionshandel – zu reduzieren (cepInput 07/2017).

Dr. Götz Reichert, cep-Klimaexperte