26.03.19

Handel mit Waren, digitalen Inhalten und Diensten

Das Europäische Parlament hat mit großer Mehrheit den Trilogergebnissen zum Vertragsrecht über den Warenkauf sowie über den Erwerb von digitalen Inhalten und Diensten zugestimmt.

Das Gesetzgebungsverfahren für die neuen verbraucherschützenden Rechtsregeln, die gelten sollen, wenn Verbraucher von einem Unternehmer Waren kaufen oder digitale Inhalte oder Dienstleistungen erwerben, hat damit eine entscheidende Hürde genommen. Da EP und Rat sich auf eine gemeinsame Position geeinigt haben, dürfte die Annahme im Rat und der Erlass der beiden Richtlinien Formsache sein.

Die beiden eng miteinander verbundenen Vorschläge für eine „Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels" [COM(2017) 637, siehe Öffnet externen Link in neuem FenstercepAnalyse] und eine "Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen" [COM(2015) 634, siehe Öffnet externen Link in neuem FenstercepAnalyse] sollen Hindernisse im grenzüberschreitenden Handel beseitigen, indem sie das Gewährleistungsrecht für den Erwerb digitaler Inhalte und Dienstleistungen einerseits sowie für Warenkäufe andererseits weitgehend harmonisieren.

In langen Verhandlungen wurden die beiden Richtlinienvorschläge im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens besser aufeinander abgestimmt. Künftig sollen im Grundsatz EU-weit die gleichen Regeln gelten, unabhängig davon, ob und in welchem Mitgliedstaat der Verbraucher eine „normale“ Ware, eine „Ware mit digitalen Elementen“ wie etwa ein Smartphone oder rein digitale Inhalte im stationären Handel oder online kauft oder herunterlädt oder digitale Dienste wie eine Musik- oder Videostreaming-App nutzt.

Insbesondere sollen folgende grundsätzliche Regeln für alle genannten Produkte gelten:

  • Die Richtlinien regeln, wann Waren, digitale Inhalte oder Dienstleistungen "vertragsgemäß" sind;
  • Sind gekaufte Waren, digitale Inhalte oder Dienstleistungen nicht "vertragsgemäß", kann der Verbraucher während einer Gewährleistungsfrist von mindestens zwei Jahren „Abhilfen“ beanspruchen;
  • Bei Vertragswidrigkeit hat der Unternehmer zunächst die Möglichkeit, nachzubessern oder Ersatz zu liefern; erst auf einer zweiten Stufe kann der Verbraucher einen Preisnachlass verlangen oder den Vertrag beenden;
  • Während des ersten Jahres (statt bislang während der ersten sechs Monate bei Waren) muss der Verbraucher nicht beweisen, dass ein Mangel bereits bei der Lieferung vorlag (Beweislastumkehr).
  • Bestehende nationale Verbraucherrechte werden in keinem EU-Land reduziert, sondern punktuell sogar ausgeweitet;
  • Kommerzielle Haltbarkeitsgarantien der Hersteller, die über die gesetzliche Gewährleistung der Verkäufer hinausgehen, werden EU-weit gleichen Regelungen unterworfen.

Zu den wichtigsten Änderungen am Vorschlag der Warenhandelsrichtlinie gehören folgende Punkte:

Anwendungsbereich:

Sogenannte "Waren mit digitalen Elementen" unterfallen allein der Richtlinie über Warenkäufe (und nicht der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen). Für alle Waren, die digitale Elemente enthalten (z.B. die Software bei einem "intelligenten Kühlschrank") oder mit digitalen Elementen - das können auch Dienstleistungen sein - so verbunden sind, dass sie ohne diese Elemente ihre Funktion nicht erfüllen könnten, gelten damit die Vorschriften der neuen Warenhandelsrichtlinie. Für die Abgrenzung soll es darauf ankommen, ob die digitalen Elemente oder die digitale Dienstleistung Bestandteil des Warenkaufvertrags sind, was durch Auslegung zu ermitteln ist.

Updates für Waren mit digitalen Elementen:

Der Verkäufer muss auch für Waren mit digitalen Elementen Aktualisierungen bereitstellen, und zwar grundsätzlich solange, wie der Käufer dies nach Art und Zweck der Ware vernünftigerweise erwarten kann; in einigen Fällen soll jedoch eine feste Frist festgelegt werden können.

Spielraum für die Mitgliedstaaten:

Die Mitgliedstaaten behalten die Möglichkeit, eine Pflicht zur Mängelrüge innerhalb von zwei Monaten nach Auftreten des Mangels vorzuschreiben.

Fristen:

Die Gewährleistungsfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre ab Lieferung der Ware. Soll ein digitales Element der Ware gemäß dem Vertrag über einen längeren Zeitraum kontinuierlich bereitgestellt werden, verlängert sich der Haftungszeitraum für dieses Element entsprechend. Die Mitgliedstaaten können aber eine längere Frist vorsehen. Sie dürfen auch eine Verjährungsfrist vorsehen, die länger ist als zwei Jahre. Bei Gebrauchtwaren darf die Gewährleistungsfrist auf mindestens ein Jahr reduziert werden.

Zu den wichtigsten Änderungen am Richtlinienvorschlag über digitale Inhalte und Dienstleistungen gehören folgende Punkte:

Gelegenheit zur Nacherfüllung:

Sind die digitalen Inhalte vertragswidrig, kann der Verbraucher den Vertrag erst beenden, wenn der Anbieter eine "zweite Chance" zur Herstellung der Vertragsmäßigkeit nicht nutzen konnte.

Fristen:

Die Beweislastumkehr für den Beweis eines Mangels zugunsten des Verbrauchers soll ein Jahr betragen. Die Gewährleistungsfrist darf nicht kürzer als zwei Jahre sein; d.h. Gewährleistungs- und Verjährungsfristen werden nicht vollharmonisiert. Bei fortlaufenden Bereitstellungen haftet der Anbieter während der gesamten Vertragsdauer für Mängel und trägt auch die Beweislast.

Beendigung langfristiger Verträge:

Die Regeln, nach denen Verbraucher Verträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr nach 12 Monaten kündigen durften, wurde aus der Richtlinie gestrichen; ihre Regelung bleibt damit den Mitgliedstaaten überlassen.

Datenschutzverstöße als Mangel:

Ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung soll „je nach Lage des Falls“ zur Vertragswidrigkeit von digitalen Inhalten führen können, die die Verbraucher berechtigen würde, die geregelten "Abhilfen" einzufordern.

cepExpertin Hoffmann begrüßt, dass die Richtlinien nun besser aufeinander abgestimmt sind und es für die Abgrenzung, welche von ihnen bei Waren mit digitalen Inhalten gilt, nicht mehr auf die – wenig verlässliche – Beurteilung ankommt, wie wichtig der digitale Inhalt für die Ware ist. Die nun entscheidende Frage, ob eine "verbundene Dienstleistung" Bestandteil des Warenkaufvertrags ist, wird allerdings auch nicht immer einfach zu beantworten sein. Die EU-weite Definition der Vertragswidrigkeit und die einheitliche Hierarchie der Abhilfen erleichtern die Anwendung der neuen Rechtsregeln. Zu vage ist hingegen die Aussage in den Erwägungsgründen, dass Datenschutzverstöße des Händlers „je nach Lage des Falls“ zur Vertragswidrigkeit von digitalen Inhalten und Diensten führen „können“. Allerdings führen die Richtlinien – zumal den Mitgliedstaaten nun auch bei der Länge der Gewährleistungs- und Verjährungsfristen Spielraum verbleibt – nicht zu einer für die Realisierung des Binnenmarkts gebotenen Vollharmonisierung des EU-Verbraucherrechts.