16.03.23

Gebäude: Drohen in der EU teure Zwangssanierungen?

Um den Gebäudebestand in der EU bis 2050 klimaneutral zu machen, hat die Kommission im Dezember 2021 eine Neufassung der Gebäude-Energieeffizienz-Richtlinie vorgeschlagen (s. cepAktuell v. 16.12.2021). Im Gegensatz zum Rat, der sich im Oktober 2022 für eine Abschwächung wesentlicher Teile des Kommissionsvorschlags ausgesprochen hatte (cepAnalyse 14/2022), hat am 14. März 2023 das Europäische Parlament deutliche Verschärfungen gefordert. Drohen jetzt Gebäudeeigentümern teure Zwangssanierungen?

Die Positionen von Rat und EP sind in einigen Punkten diametral entgegengesetzt. Sollte sich das EP in den abschließenden Trilog-Verhandlungen mit seinen Forderungen durchsetzen, könnten auf Gebäudeeigentümer strenge und teure Vorgaben - insbesondere für die energetische Gebäudesanierung sowie zur Bereitstellung von Ladesäulen - zukommen, die auch Mieten weiter steigen lassen würden.

So sollen laut EP-Position Gebäude der neuen Energieeffizienzklasse G - also die 15% des Gebäudebestands eines Mitgliedstaates mit der schlechtesten Energieeffizienz - 2030 bei Wohngebäuden auf mindestens Klasse E und 2033 auf Klasse D verbessert werden, bei Nichtwohngebäuden bereits jeweils drei Jahre früher. Der Kommissionsvorschlag sah nur eine Verbesserung auf Klasse F bzw. E vor. Der Rat will stattdessen die auf die einzelnen Gebäude bezogene Sanierungspflicht nur bei kommerziellen und öffentlichen Gebäuden in abgewandelter Form anwenden. Alle Wohnhäuser sollen hingegen 2033 im Durchschnitt die Klasse D erreichen müssen, sodass kein Zwang zur Sanierung einzelner Gebäude bestünde.

Vorgaben zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Wohn- und Geschäftsgebäuden werden vom EP über den Kommissionsvorschlag hinaus - bei dem u.a. Schwellenwerte für die verpflichtende Installation von Ladesäulen abgesenkt und bisherige Verpflichtungen zum Legen von Leerrohren in eine Pflicht zur Vorverkabelung abgeändert werden - verschärft. Dabei umfasst für das EP die Vorverkabelung nun auch Datenleitungen und die Anpassung des Schaltschrankes etc. Im Gegensatz dazu beharrt der Rat bei 50% der Parkplätze auf die bloße Verpflichtung zum Legen von Leerrohren.

Deutschland war zusammen mit weiteren Mitgliedstaaten mit dem mühevoll im Rat erzielten Kompromiss ohne Sanierungspflicht für Wohngebäude unzufrieden. Die Bundesregierung hatte deren Wirkung schon in ihr Klima-Sofortprogramm 2022 eingepreist. Eine von Frankreich angeführte Sechs-Länder-Koalition hofft nun, dass man sich im Trilog doch noch auf eine Pflicht zu Sanierungen einigen könnte.

Das cep hat von Anfang an davor gewarnt, alle Gebäude in der schlechtesten Energieeffizienz­klasse durch zwangsweise Sanierung schrittweise in bessere Effizienzklassen anzuheben (s. cepAnalyse 14/2022). Denn erstens lassen sich viele ineffiziente Gebäude der Klasse G mit alter Bausubstanz, wenn überhaupt, nur unter erheblichem Aufwand energetisch renovieren. Dabei lassen sich oft keine standardisierten und folglich kostengünstigen Verfahren anwenden, so dass Gebäuderenovierungen individuell zugeschnitten sein müssen. Mit den Häusern mit der schlechtesten Energieeffizienz zu beginnen könnte daher dazu führen, dass es zu keiner nennenswerten Steigerung der Renovierungsrate kommt. Zweitens ist nicht sicher, ob alle diese Gebäude noch bis 2050 genutzt werden. Vor allem bei Gebäuden in Privatbesitz wird dieses unter Umständen nur noch bis zum Ableben der jetzigen Bewohner vermietet oder selbst genutzt, da eine Sanierung des Gebäudes sich nicht lohnt. Eine Sanierung kann auch an der Finanzierung scheitern, weil in den letzten Jahren des Arbeitslebens stehende oder Rente beziehende Gebäudeeigentümer keinen Kredit mehr erhalten. Drittens sind die Fristen bis zur vorgeschriebenen Verbesserung der Energieeffizienz sehr kurz bemessen und es ist nicht garantiert, in diesem Zeitraum die nötigen Genehmigungen, Handwerker und Baumaterialien zu bekommen. Viertens bestünde ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte von Gebäudeeigentümern, wenn sie aufgrund entsprechender Vorschriften zur Gewährleistung der Mindestvorgaben ein Gebäude, das nicht fristgerecht renoviert werden kann, nicht länger vermieten, selbst nutzen oder verkaufen könnten.

Letztlich konterkariert die Vorgabe, alle Gebäude der Klasse G und später der Klassen F und E renovieren zu müssen, eine kosteneffiziente Gebäudesanierung. Denn insgesamt ließen sich durch die Konzentration zunächst auf "niedrig hängende Früchte" - also Gebäude mit schlechter Energieeffizienz, die aber relativ leicht energetisch zu renovieren sind - schnell substanzielle CO2-Reduk­tionen kostengünstig erzielen, wenn extrem schwierig zu sanierende Gebäude am Ende an die Reihe kommen. Insbesondere in einem konsequenten Quartieransatz könnten durch standardisierte Verfahren Gebäude von ähnlichem Typ und Baustil mit Lösungen "von der Stange" renoviert und somit die Arbeiten der verschiedenen Gewerke, die Materiallieferung und feste Bautrupps möglichst effizient koordiniert werden.

Daher sollte die Bundesregierung zur Umsetzung ihrer Klimaziele nicht auf eine Sanierungspflicht setzen, sondern bis zur Einführung des EU-Emissionshandels für Gebäude und Verkehr (EU-EHS2; cepAnalyse 14/2022) für Gebäude und Verkehr den nationalen Emissionshandel (BEHG) effektiv gestalten, indem die Preisbildung bald dem Markt überlassen wird, damit entsprechende Anreize für tiefgreifende Gebäudesanierungen greifen. Das EU-EHS 2 senkt die CO2-Gesamtemissionen des Straßenverkehrs- und Gebäudesektors effektiv ("Cap") und effizient ("Trade"). Der CO2-Preis setzt von sich aus Anreize für den Umstieg von fossilen auf weniger CO2-intensive Energien, energetische Renovierungen, effizientere Neubauten sowie für CO2-ärmere Heizungsanlagen und verhindert zudem Rebound-Effekte. Ein Beharren auf eine Sanierungspflicht auf EU-Ebene würde nicht nur den Ratskompromiss unterlaufen, sondern wäre schädlich für die Bürger, würde die Renovierungswelle abschwächen und folglich eine kosteneffiziente Dekarbonisierung des Gebäudebestands verhindern.

Dr. Martin Menner

cep-Experte Energie- und Klimapolitik