30.03.23

Fernabsatz von Finanzdienstleistungen: Rat und IMCO-Ausschuss legen ihre Positionen fest

Im März 2023 haben sich der Binnenmarktausschuss (IMCO-Ausschuss) des Europäischen Parlaments und der Rat zum Vorschlag der EU-Kommission zur Überarbeitung der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen [s. cepAnalyse Nr. 12/2022] positioniert.

Während der IMCO-Ausschuss seine Position am 28. März festlegte (s. hier), tat dies der Rat bereits am zu Beginn des Monats, am 2. März (s. hier). Die EU-Kommission hatte eine Überarbeitung der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen bereits im Mai 2022 vorgelegt. Sie tat dies, da die bestehende Richtlinie aus dem Jahr 2011 an Relevanz verloren hat und sich der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen – also insbesondere Bank-, Kredit-, Versicherungs-, Altersversorgungs-, Geldanlage- und Zahlungsdienstleistungen –, seitdem deutlich gewandelt hat. Im Folgenden gewähren wir einen Überblick über die unterschiedlichen Positionen der Kommission, des Rats und des IMCO-Ausschusses:

1) Umfang der vorvertraglichen Informationen

Die Kommission schlug insbesondere vor, dass die vorvertraglichen Informationspflichten ausgedehnt werden sollen. Die Anbieter von Finanzdienstleistungen im Fernabsatz sollen die Verbraucher künftig u.a. – falls relevant, auch über das Risiko- und Renditeprofil der Finanzdienstleistung und über die ökologischen oder sozialen Ziele der Finanzdienstleistung informieren müssen. Zudem müssen sie darüber informieren, ob der Preis der Dienstleistung auf Basis einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert worden ist.

Der Rat verzichtet in seiner Position auf die Erweiterung der Informationspflicht auf das Risiko- und Renditeprofil und streicht auch die Informationspflicht zu den ökologischen oder sozialen Zielen. Allein die Informationspflicht zu personalisierten Preisen behält er bei. Demgegenüber behält der IMCO-Ausschuss diese zusätzlichen Informationspflichten weitestgehend bei. Der Ausschuss will zudem, dass Verbraucher über zu Konsequenzen der Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen – z.B. verspätetet Zahlungen aufgeklärt werden müssen. Sowohl Rat als auch der IMCO-Ausschuss plädieren ferner für die Pflicht zur Information über die mögliche Existenz eines Garantiefonds oder andere Entschädigungsregelungen (z.B. Einlagensicherungssystem).

2) Art der Bereitstellung vorvertraglicher Informationen

Die Kommission hatte zudem vorgeschlagen, dass die Finanzdienstleistungsanbieter die vorvertraglichen Informationen auch „schichten“ dürfen, wenn sie auf elektronischem Wege bereitgestellt werden, d.h. detaillierte Teile der Informationen können etwa mittels Pop-ups oder durch Links präsentiert werden. Angaben zur Identität des Anbieters, zu den Hauptmerkmalen der Dienstleistung, zum Gesamtpreis sowie zum Widerrufsrecht dürfen jedoch nicht geschichtet dargestellt werden.

Auch der Rat und der IMCO-Ausschuss wollen die Schichtung in ihren Positionen erlauben. Sie wollen jedoch zusätzliche Elemente von der Möglichkeit der Schichtung ausnehmen. Beim Rat ist dies der mögliche Warnhinweis über besonders risikobehaftete Finanzdienstleistungen. Dagegen will der Ausschuss die Information über das Risiko- und Renditeprofil sowie über die Konsequenzen der Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen von der Schichtungserlaubnis ausnehmen.

3) Zeitpunkt der der Bereitstellung vorvertraglicher Informationen

Der Kommissionsvorschlag sieht ferner vor, dass die Finanzdienstleistungsanbieter die vorvertraglichen Informationen grundsätzlich „mindestens einen Tag“ vor Vertragsschluss bereitstellen müssen. Stellt er sie dennoch weniger als einen Tag vor Vertragsschluss zur Verfügung, muss er den Verbraucher spätestens einen Tag nach Vertragsschluss auf einem dauerhaften Datenträger darauf hinweisen, dass dieser den Vertrag widerrufen kann.

Der Rat und der IMCO-Ausschuss lehnen diesen Vorschlag ab. Sie plädieren stattdessen dafür, dass die Bereitstellung der Informationen – wie auch schon bisher – „rechtzeitig“ vor Vertragsschluss zu erfolgen hat. Der IMCO-Ausschuss legt zudem fest, dass der Verbraucher vom Anbieter innerhalb von ein bis sieben Tagen nach Vertragsschluss über seine Widerrufsoptionen informiert werden muss, sofern die vorvertraglichen Informationen dem Verbraucher weniger als einen Tag vor Vertragsabschluss bereitgestellt wurden.

4) Widerrufsrecht

Die Kommission hatte zudem vorgeschlagen, dass Verbraucher auch weiterhin einen Fernabsatzvertrag über eine Finanzdienstleistung innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen widerrufen können und die Widerrufsfrist ab dem Tag des Abschlusses des Fernabsatzvertrags oder ab dem Tag beginnt, an dem der Verbraucher die vorvertraglichen Informationen vollständig erhalten hat, sofern dieser Tag nach dem Tag des Vertragsschlusses liegt.

Auch der Rat und der IMCO-Ausschuss wollen an dieser grundsätzlichen Regelung festhalten. Sie sprechen sich jedoch beide für eine 30 Tage Frist bei Verträgen über die private Altersversorge aus.

Zudem wollen beide Gesetzgeber das Widerrufsrecht beschränken und somit vom „ewigen Widerrufsrecht“ Abstand nehmen. So soll das Widerrufsrecht auf zwölf Monate und vierzehn Tage begrenzt werden, wenn der Verbraucher die Vertragsbedingungen und -vereinbarungen und die vorvertraglichen Informationen nicht erhält. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn er nicht über sein Widerrufsrecht informiert wurde.

5) Widerrufsbutton

Die Kommission will, dass Anbieter von Finanzdienstleistungen Verbrauchern künftig ermöglichen müssen, einen Fernabsatzvertrag über einen Widerrufsbutton zu widerrufen, sofern der Vertrag auf elektronischem Wege geschlossen wurde. Der Button muss mit den Worten „den Vertrag widerrufen“ oder einer ähnlichen Formulierung gekennzeichnet werden, auf derselben Benutzeroberfläche platziert werden, die auch für den Vertragsabschluss genutzt wird, für den Verbraucher sichtbar sein, während der kompletten Widerrufsfrist zur Verfügung stehen, und bei seiner Aktivierung umgehend den Versand einer Widerrufsbestätigung auslösen.

Auch der Rat und der IMCO-Ausschuss wollen eine solche zusätzliche Widerrufsmöglichkeit schaffen, jedoch nur dann, wenn der Fernabsatzvertrag über eine Online-Benutzeroberfläche abgeschlossen wurde. In diesem Fall sollen Verbraucher den Vertrag über einen „Widerrufsbutton oder eine ähnliche Funktion“ (Rat) bzw. über eine „Widerrufsfunktion“ (IMCO-Ausschuss) widerrufen können.

Der Rat und auch der IMCO-Ausschuss wollen außerdem, dass die neue Pflicht zur Bereitstellung dieser zusätzlichen Widerrufsmöglichkeit nicht nur für im Fernabsatz abgeschlossene Finanzdienstleistungsverträge gelten soll, sondern auch für im Fernabsatz mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträge zu anderen Produkten und Dienstleistungen.

6) Fairness im Internet

6.1) Eingreifen einer Person

Die Kommission schlug vor, dass Anbieter von Finanzdienstleistungen Verbrauchern künftig das Recht auf ein Eingreifen einer Person einräumen müssen, sofern „Online-Tools“ – z.B. Livechats, Robo-Advice – eingesetzt werden.

Der Rat konkretisiert diese Vorgabe. So soll sie in jeder Phase des Verhandlungsprozesses und der Vertragsbeziehung gelten. Der IMCO-Ausschuss will, dass sie „beim Abschluss des Fernabsatzvertrags“ greift und dass das Eingreifen in der Sprache ermöglicht werden muss, die auch für die vorvertraglichen Informationen genutzt wird.

6.2. Verhinderung von Fehlanreizen beim Erwerb einer Finanzdienstleistung

Die Kommission will es Finanzdienstleistungsanbietern verbieten, die „Struktur, Gestaltung, Funktion oder Art der Bedienung ihrer Online-Benutzeroberfläche“ so anzupassen, dass der Verbraucher keine „freie, autonome und fundierte“ Entscheidung zu einem Fernabsatzvertrag treffen kann.

Während der Rat diese Neuregelung komplett streichen will, will sie der IMCO-Ausschuss weitgehend beibehalten und darüber hinaus noch verschärfen. So soll die Vorgabe auch die Pflicht umfassen, dem Verbraucher verschiedene Optionen „neutral und nicht irreführend“ zu präsentieren.

6.3. Werbung für Finanzdienstleistungen

Während die Kommission und der Rat keine gesonderten zusätzlichen Vorschriften für Werbung für im Fernabsatz zu erwerbende Finanzdienstleistungen vorsieht, will der IMCO-Ausschuss hier zusätzliche Vorgaben machen. So will der Ausschuss die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, Maßnahmen zur Begrenzung von Risiken, die mit Werbemaßnahmen zu Finanzdienstleistungen einhergehen (können), zu ergreifen. Dazu können insbesondere auch Maßnahmen zur Werbung für Finanzdienstleistungen auf Social-Media-Plattformen gehören. Zudem soll Werbung auch Warnhinweise enthalten müssen, wenn für besonders risikobehaftete Finanzdienstleistungen geworben wird oder die Finanzdienstleistung eine Verschuldung des Verbrauchers nach sich zieht.

7) Umsetzung

Die Kommission plädiert dafür, dass die Mitgliedstaaten die Vorgaben der Änderungsrichtlinie bis spätesten 24 Monate nach ihrem Erlass umsetzen müssen. Sie sollen sodann sofort gelten.

Der Rat plädiert ebenfalls für die 24 Monate, will jedoch, dass die Vorgaben dann erst sechs Monate später gelten sollen. Der IMCO-Ausschuss will die Umsetzungsfrist hingegen auf 18 Monate reduzieren. Anschließend sollen die Neuregelungen sofort gelten.

Philipp Eckhardt, wissenschaftlicher Referent Finanzmärkte