04.10.18

EuGH-Urteil zu Online-Verkäufen

Wann ein Online-Verkäufer „Gewerbetreibender“ ist, ist im Einzelfall anhand aller vorliegenden Fakten zu beurteilen – eine gewisse Anzahl an Verkaufsanzeigen allein reicht nicht aus

Der EuGH hat am 04.10.2018 erwartungsgemäß entschieden, dass die Frage, ob eine Person, die auf einer Online-Verkaufsplattform als „Gewerbetreibender“ oder „Unternehmer“ anzusehen ist, von den nationalen Gerichten stets im Einzelfall unter Berücksichtigung aller ihnen vorliegenden Fakten zu beurteilen ist.

Im konkreten Fall hatte eine Verkäuferin (Frau Kamenova) auf einer bulgarischen Online-Verkaufsplattform gleichzeitig in acht Anzeigen verschiedene Waren zum Verkauf angeboten. Nachdem sie eine gebrauchte Uhr an einen Verbraucher verkauft hatte, wollte dieser den Vertrag widerrufen, was Frau Kamenova ablehnte. Zudem hatte sie in ihren Angeboten mehrere Informationspflichten nicht eingehalten. Frau Kamenova war der Ansicht, sie sei hierzu nicht verpflichtet, weil sie nicht als „Gewerbetreibende“ anzusehen sei.

Der EuGH betonte, ein Verkäufer sei nur dann als „Gewerbetreibender“ einzustufen, wenn er „im Rahmen einer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit“ handele. Allein die Tatsache, dass jemand online gleichzeitig eine gewisse Zahl neuer oder gebrauchter Waren zum Verkauf anbiete, reiche nicht aus, um dies zu bejahen. Die Gerichte müssten vielmehr weitere (nicht abschließend aufgelistete!) Umstände berücksichtigen, etwa ob der Verkauf planmäßig und zu Erwerbszwecken erfolgte, welche Dauer und welchen Umfang die Verkaufstätigkeit hatte, welche Rechtsform der Verkäufer hat und ob er mehrwertsteuerpflichtig ist, ob es sich um neue oder gebrauchte Waren handelte und der Verkäufer diese zum Zweck des Wiederverkaufs erworben hat, so dass die Verkaufstätigkeit im Verhältnis zu seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit eine gewisse Regelmäßigkeit, Häufigkeit und/oder Gleichzeitigkeit hat, welchen Gewinn er erzielt und ob es sich um gleichartige Waren oder solche von gleichem Wert handelt, insbesondere, ob sich das Angebot auf eine begrenzte Art von Waren konzentriert.

Der EuGH folgt damit Generalanwalt Szpunar, der in seinen Schlussanträgen vom 31.05.18 und die vom Gerichtshof nun übernommenen Kriterien vorgeschlagen hatte. Anders als der Generalanwalt, der die acht Verkaufsangebote der betroffenen Verkäuferin als nicht ausreichend erachtet hatte, um diese als „Gewerbetreibende“ einzustufen, hielt sich der EuGH mit einer Einschätzung zum konkreten Fall aber zurück.

Die cep-Expertin Anja Hoffmann erklärte dazu: "Wie erwartet hat der EuGH sich nicht auf eine Untergrenze von Verkaufsangeboten als Schwelle festgelegt, ab der bei Online-Verkäufen von einer Unternehmerstellung auszugehen ist, sondern für jeden Einzelfall eine Gesamtwürdigung anhand aller bekannten Umstände gefordert. Dies ist richtig, da aufgrund der unterschiedlichen Sachverhalte in der Praxis nur eine Einzelfallbeurteilung eine gerechte Entscheidung gewährleisten kann."

Zugleich stellt der EuGH klar, dass die Begriffe des „Gewerbetreibenden“ im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) und des „Unternehmers“ i.S.d. Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) „nahezu identisch definiert“ seien und daher „einheitlich ausgelegt“ werden müssten, so dass die Beurteilung, ob die Pflichten der jeweiligen Richtlinie gelten, insoweit gleich erfolgen muss.

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