29.01.19

EU zu Handel von Waren, digit. Inhalten + Diensten

Rat und EU-Parlament einigen sich informell auf neue verbraucherschützenden Regeln zum Warenkauf und zum Erwerb digitaler Inhalte oder Dienstleistungen

Vertreter des Rates der EU und des Europäischen Parlaments haben am 29. Januar in fortgesetzten informellen Verhandlungen eine Einigung über die künftigen Rechtsregeln erzielt, die gelten sollen, wenn Verbraucher von einem Unternehmer Waren kaufen oder digitale Inhalte oder Dienstleistungen erwerben.

Die geplante "Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels" [COM(2017) 637, siehe cepAnalyse] und die "Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen" [COM(2015) 634, siehe cepAnalyse] andererseits regeln insbesondere,

- wann Waren, digitale Inhalte oder Dienstleistungen "vertragsgemäß" sind;

- welche Rechte ("Abhilfen") Verbraucher haben, wenn die Waren oder digitalen Inhalte bzw. Dienstleistungen ihnen vom verantwortlichen Unternehmer nicht "vertragsgemäß" geliefert oder zur Verfügung gestellt werden, und

- wann und wie lange diese Abhilfen beansprucht werden dürfen.

Laut Informationen der beiden Berichterstatter ist es in den Trilogverhandlungen gelungen, die beiden Richtlinienvorschläge so aufeinander abzustimmen, dass künftig für digitale Inhalte, Smart Goods oder "normale" Waren in Grundzügen folgende, EU-weit gleiche Regeln gelten:

- Bei Vertragswidrigkeit hat der Unternehmer zunächst die Möglichkeit, nachzubessern oder Ersatz zu liefern; erst auf einer zweiten Stufe kann der Verbraucher einen Preisnachlass verlangen oder den Vertrag beenden;

- Bestehende nationale Verbraucherrechte werden in keinem EU-Land reduziert, sondern punktuell sogar ausgeweitet;

- Die Beweislastumkehr dafür, dass ein Mangel bei Lieferung vorlag, wird faktisch harmonisiert und in fast allen EU-Ländern von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert (nur Frankreich darf seine geltende Zwei-Jahres-Frist beibehalten);

- Kommerzielle Haltbarkeitsgarantien der Hersteller, die über die gesetzliche Gewährleistung der Verkäufer hinausgehen, werden EU-weit gleichen Regelungen unterworfen.

Zu den wichtigsten Inhalten des heutigen Kompromisses gehören folgende Punkte:

1. Warenhandelsrichtlinie

- Anwendungsbereich:

Sogenannte "Waren mit digitalen Elementen" unterfallen allein der Richtlinie über Warenkäufe (und nicht der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen). Für alle Waren, die digitale Elemente enthalten (z.B. die Software bei einem "intelligenten Kühlschrank") oder mit digitalen Elementen - das können auch Dienstleistungen sein - so verbunden sind, dass sie ohne diese Elemente ihre Funktion nicht erfüllen könnten, gelten damit die Vorschriften der neuen Warenhandelsrichtlinie.

- Updates für Waren mit digitalen Elementen:

Der Verkäufer muss auch für Waren mit digitalen Elementen Aktualisierungen bereitstellen, und zwar grundsätzlich solange, wie der Käufer dies nach Art und Zweck der Ware vernünftigerweise erwarten kann; in einigen Fällen soll jedoch eine feste Frist festgelegt werden können.

- Spielraum für die Mitgliedstaaten:

Die Mitgliedstaaten behalten die Möglichkeit, eine Pflicht zur Mängelrüge innerhalb von zwei Monaten nach Auftreten des Mangels vorzuschreiben.

- Fristen:

Die Gewährleistungsfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre ab Lieferung der Ware. Soll ein digitales Element der Ware gemäß dem Vertrag über einen längeren Zeitraum kontinuierlich bereitgestellt werden, verlängert sich der Haftungszeitraum für dieses Element entsprechend. Die Mitgliedstaaten können aber eine längere Frist vorsehen. Sie dürfen auch eine Verjährungsfrist vorsehen, die länger ist als zwei Jahre. Bei Gebrauchtwaren darf die Gewährleistungsfrist auf mindestens ein Jahr reduziert werden.

2. Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen

- Beendigung langfristiger Verträge:

Die Regeln, nach denen Verbraucher Verträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr nach 12 Monaten kündigen durften, wurde aus der Richtlinie gestrichen; ihre Regelung bleibt damit den Mitgliedstaaten überlassen.

- Gelegenheit zur Nacherfüllung:

Sind die digitalen Inhalte vertragswidrig, kann der Verbraucher den Vertrag erst beenden, wenn der Anbieter eine "zweite Chance" zur Herstellung der Vertragsmäßigkeit nicht nutzen konnte.

- Fristen:

Die Beweislastumkehr für den Beweis eines Mangels zugunsten des Verbrauchers soll ein Jahr betragen. Die Gewährleistungsfrist darf nicht kürzer als zwei Jahre sein; d.h. Gewährleistungs- und Verjährungsfristen werden nicht vollharmonisiert. Bei fortlaufenden Bereitstellungen haftet der Anbieter während der gesamten Vertragsdauer für Mängel und trägt auch die Beweislast.

- Datenschutzverstöße als Mangel:

Ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung soll zur Vertragswidrigkeit von digitalen Inhalten führen, die die Verbraucher berechtigt, die geregelten "Abhilfen" einzufordern.

Cep-Expertin Dr. Hoffmann begrüßt, dass die Trilog-Verhandlungen so zeitnah abgeschlossen werden konnten. Erst am 6. Dezember 2018 hatte der Rat seine "Allgemeine Ausrichtung" zur Warenhandelsrichtlinie vorgelegt und damit parallele Verhandlungen zu den beiden Richtlinien ermöglicht, die enge Verbindungen aufweisen. Damit dürften beide Rechtsakte noch vor den EU-Parlamentswahlen im Mai verabschiedet werden. Positiv ist, dass nunmehr ein gewisser Gleichlauf zwischen beiden Richtlinien geschaffen wurde. Sinnvoll ist auch, dass die Abgrenzung des Anwendungsbereichs beider Richtlinien nicht mehr anhand der Wichtigkeit der Funktion erfolgt, welche der digitale Inhalt für eine Ware hat. Denn für den Verbraucher wäre eine verlässliche Beurteilung insofern kaum möglich. Dennoch wird nicht immer einfach zu beurteilen sein, welche "verbundene Dienstleistung" Bestandteil des Warenkaufvertrags ist. Auch die einheitliche Hierarchie der Abhilfen und die im Grundsatz gleichen Fristen erleichtern die Anwendung der neuen Rechtsregeln. Inwiefern die Regelungen zu den Updates und zu den Auswirkungen von Datenschutzverstößen sinnvoll und verhältnismäßig sind, kann hingegen erst nach Sichtung des finalen Kompromisstextes eingeschätzt werden.