18.02.22

EU-Wegekosten-Richtlinie für Lkw: EU-Parlament gibt grünes Licht

Nach fast fünf Jahren hat das Rechtsetzungsverfahren zur Reform der EU-Wegekosten-Richtline durch die Zustimmung des Europäischen Parlaments am 17. Februar 2022 seinen Abschluss gefunden. Bereits Ende 2021 hatte der Rat den Kompromiss abgesegnet. Damit gelten neue Vorgaben für die Mitgliedstaaten, die Straßennutzungsgebühren in Form zeitbezogener Vignetten- oder streckenbezogener Mautgebühren erheben wollen.

Das cep begrüßt den Abschluss des Rechtssetzungsverfahrens zur Änderung der EU-Wegekosten-Richtlinie, die nun im Wesentlichen mit den Vorstellungen des cep übereinstimmt:

Die überarbeitete Wegekosten-Richtlinie gilt nun für alle schweren Nutzfahrzeuge (SNF) wie Lkw und Busse sowie Lieferwagen ab 3,5 Tonnen und vermeidet dadurch Wettbewerbsverzerrungen im Straßengüterverkehr und auch bei Bussen gegenüber dem Schienenverkehr. Die Ausnahmen für Lieferwagen von Handwerkern sind dabei zu begrüßen, denn deren Fahrten stehen nicht in Konkurrenz zum Straßengüterverkehr.

Dass die Mitgliedstaaten nicht zur Erhebung von Straßennutzungsgebühren verpflichtet werden, ist sachgerecht. Denn es existieren auch andere Instrumente zur „Bepreisung“ – also der kostenmäßigen Anlastung – von Umwelt- und Klimaschäden, etwa eine Kombination aus nach Luftverschmutzung gestaffelter Kfz-Steuer und Bepreisung des tatsächlichen CO2-Austoßes durch den separaten Emissionsrechtehandel für Gebäude und Straßenverkehr (EU-ETS II), wie ihn die EU-Kommission als Kernelement ihres „Fit for 55“-Klimapakets vorgeschlagen hat. Durch eine Einbeziehung des Straßen¬verkehrs in das EU-ETS II lässt sich das Verursacherprinzip besser als durch eine streckenbezogene Maut gestalten, denn diese hat keinen Einfluss auf die Fahrweise.

Dadurch, dass es keine Pflicht zur Einführung von Straßennutzungsgebühren bei Pkw gibt, ist dem Problem der Ausweichverkehre Rechnung getragen. Denn werden Straßennutzungsgebühren nur auf bestimmten Straßen erhoben, besteht vor allem bei Pkw die Gefahr, dass sich der Verkehr von den sichersten Straßen – Autobahnen und mehrspurigen Schnellstraßen – mit den wenigsten Verkehrs¬toten und Verletzten pro gefahrenem Kilometer auf unfall¬trächtigere Straßen verlagert, die zudem näher an Siedlungen vorbeiführen und dort zu Luftverschmutzung und Lärmbelastung führen. Dies gilt nicht für die Bepreisung durch das EU-ETS II und nach Schadstoffausstoß gestaffelte Kfz-Steuern, die ebenso dem Nutzer- und Verursacherprinzip entsprechen. Deshalb sollte Deutschland auch in Zukunft von der Einführung einer Pkw-Maut absehen.

Es ist auch zu begrüßen, dass es zu keiner pauschalen Abschaffung von zeitbezogenen Vignetten-gebühren durch die EU gekommen ist und eine streckenbezogene Maut nur für SNF und nur auf wesentlichen Teilen des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) vorgeschrieben wird. Denn Vor- und Nachteile von Maut- und Vignettengebühren hängen von deren konkreten Ausgestaltungen ab. Zwar entsprechen in der Tat streckenabhängige Mautgebühren diesen Prinzipien besser, weil Vignettengebühren Infrastrukturkosten nicht genau widerspiegeln und weniger zielgerichtete Anreize für einen saubereren und effizienteren Verkehrsbetrieb geben. Jedoch induzieren Mautgebühren gerade deshalb in höherem Maße als Vignettengebühren unerwünschte Ausweichverkehre vor allem bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen. Vignettengebühren sind zudem weniger aufwendig und können einfacher datenschutzfreundlich gestaltet werden (s. cepInput 02/2017).

Es ist zu begrüßen, dass die derzeitige Staffelung der Infrastrukturgebühren für SNF nach EURO-Klassen – also nach dem Grad der Luftverschmutzung – nicht abgeschafft wird. Denn sie führt durch kostengetriebene Kaufanreize zu einem emissionsärmeren Fuhrpark. Diese Anreizwirkung wird durch andere Maßnahmen wie die nunmehr erlaubte Gebühr für Luftverschmutzung auf Abschnitten mitüberdurchschnittlichen Umweltschäden nur teilweise ersetzt.

 

Dennoch wurden einige Punkte nur suboptimal geregelt:

Die geplante Staffelung der Infrastrukturgebühr für SNF nach CO2-Emissionen ist ungenau und schafft unübersichtliche Tarifstrukturen. CO2 lässt sich besser durch ein Instrument wie den Emissionshandel einsparen, das am tatsächlichen Verbrauch ansetzt und eine CO2-sparende Fahrweise fördert. Daher ist die Überprüfung dieser Regelung bei Einführung des EU-ETS II angebracht. Denn es gilt, eine unnötige Überlappung von Instrumenten, wodurch Doppelbelastungen drohen, zu vermeiden.

Mautgebühren für Pkw und Lieferwagen sollen zwar grundsätzlich an Schadstoffen ausgerichtet werden. Die Umsetzung ist jedoch inkonsequent und unzureichend, da dies nur für Pkw und Vans gelten soll, deren CO2-Austoß unter den Zielvorgaben der Neuwagenflotte liegt. Die Luftschadstoffemissionen aller anderen Pkw und Lieferwagen sind also nicht preislich gestaffelt.

 

Dr. Martin Menner, cep-Verkehrsexperte