07.12.22

EU Kommission unterbreitet mehrere Rechtsakte zur Stärkung der Kapitalmarktunion

Am 7. Dezember 2022 hat die EU-Kommission ein umfassendes, insgesamt sechs Rechtsakte und eine Mitteilung umfassendes Paket zur Vertiefung der Kapitalmarktunion vorgelegt. Das Paket adressiert insgesamt drei Themengebiete:

1) Börsennotierungen (Listing Act)

Die Kommission will die Anforderungen für die Notierung an öffentlichen Märkten spürbar absenken. Dies will sie durch Änderungen der Prospektverordnung, der Marktmissbrauchsverordnung und der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente erreichen. Dabei sollen

  • ­die Prospektpflichten reduziert und vereinfacht sowie die Verfahren zur Kontrolle dieser Prospekte durch die Aufsichtsbehörden gestrafft werden; allein hierdurch verspricht sich die Kommission Erleichterungen für Unternehmen im Umfang von 100 Mio. Euro pro Jahr,
  • ­bestimmte Marktmissbrauchsregeln vereinfacht und klarer gefasst werden.
  • ­die Verfügbarkeit von Finanzanalysen zu kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) verbessert werden, da deren Sichtbarkeit gegenüber Anlegern oft getrübt ist
  • ­Unternehmen durch so genannten Mehrstimmrechtsaktien-Strukturen eine ausreichende Kontrolle über das Unternehmen behalten können, sofern sie eine Notierung an einer KMU-Wachstumsbörse anstreben.

2) Clearinganforderungen

Nach der so genannten Marktinfrastrukturverordnung müssen außerbörsliche Geschäfte mit Derivaten über so genannte zentrale Gegenparteien (central counterparties, CCPs) gecleart werden. Viele dieser CCPs haben ihren Sitz jedoch im Vereinigten Königreich, sodass ein Großteil der Derivategeschäfte nach dem Brexit nicht mehr in der EU abgewickelt werden. Dies ist der Kommission ein Dorn im Auge. Sie hat daher nun Pläne präsentiert, um (1) die Attraktivität der EU als Standort für CCPs zu verbessern, (2) Risiken, insbesondere hinsichtlich der Finanzmarktstabilität, zu adressieren, die damit einhergehen, dass eine hohe Abhängigkeit von CCPs aus Drittstaaten – insbesondere UK – besteht und (3) sicherzustellen, dass in der EU eine sicheres Umfeld für das Clearing von Derivatetransaktionen entsteht.

Um diese Ziele zu erreichen, will die Kommission daher

  • ­dass, CCPs in der EU schneller und einfacher neue Produkte etablieren können, ohne lange Genehmigungsverfahren durchlaufen zu müssen,
  • ­Anreize schaffen, dass Marktteilnehmer in der EU vermehrt EU-CCPs in Anspruch nehmen,
  • ­den Aufsichtsrahmen in der EU stärken,
  • ­die Transparenz über Nachschussforderungen verbessern, auch als Reaktion auf die Turbulenzen an den Energiemärkten im Zuge des Ukraine-Kriegs, und
  • ­EU-Marktteilnehmer verpflichten, übermäßige Risikopositionen gegenüber CCPs aus Drittstaaten abzubauen, insbesondere bei Derivaten, die laut der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) von wesentlicher Systemrelevanz sind. Dazu zählen etwa auf Euro lautende Zinsderivate sowie Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps). Für das Clearing eines Teils dieser Derivatekontrakte sollen die Marktteilnehmer künftig Clearing-Konten bei EU-CCPs einrichten müssen.

3) Harmonisierung von Insolvenzregelungen

Die Kommission legt ferner einen Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung von Insolvenzregelungen vor. Denn sie hat erkannt, dass die diesbezüglichen Rechtsvorschriften der 27 EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind und ein Hemmnis für Anleger darstellen, die grenzüberschreitende Investitionen tätigen wollen. Der Vorschlag sieht nun u.a. Maßnahmen zur Erhaltung der Insolvenzmasse vor, die Etablierung von Gläubigerausschüssen sowie die Einführung von Verfahren zur Veräußerung des Unternehmens vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Pre-Pack-Verfahren). Die Kommission erhofft sich durch die vorgelegten regulatorischen Anpassungen, die Kapitalkosten für Unternehmen senken und grenzüberschreitende Investitionen ankurbeln zu können.

Nachdem die Kommission nun ihre Pläne zur Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion vorgelegt hat, sind nun das Europäische Parlament und der Rat am Zug. An ihnen liegt es jetzt die Vorhaben gründlich zu prüfen und Änderungswünsche zu formulieren.

Philipp Eckhardt, Wissenschaftlicher Referent