28.09.16

EU: Durchwursteln ohne Konzept?

Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert, Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio und Prof. Dr. Jürgen Stark diskutierten mit FAZ-Herausgeber Holger Steltzner bei cep-Podiumsdiskussion über die EU am Scheideweg.

Für einen politischen Integrationsprozess, auch wenn er ohne die Briten strukturell einfacher erscheint, wird nicht einmal in Deutschland eine Mehrheit zu finden sein, erklärte Bundestagspräsident Lammert in seiner Key-Note. Nun den Glanz und die Leistungsfähigkeit von Nationalstaaten herauszustellen zu wollen, bewertete er andererseits als "grotesken Anachronismus."

Die Frage, wie ein Mittelweg aussehen könnte, wurde in der anschließenden Diskussion aufgegriffen. Di Fabio machte das Trilemma von Integration, Souveränität und Legitimation deutlich, in dem die EU stecke.

Jürgen Stark sah im Binnenmarkt noch erhebliches Integrationspotential.

Um die mittlerweile politische Rolle der EU-Kommission und die Frage, ob eine neutrale Instanz eingeführt werden solle, um deren Aufgabe als "Hüterin der Verträge" zu übernehmen, führten die Redner, moderiert von Holger Steltzner (FAZ) eine spannende Debatte.

 

Auszüge aus der der Diskussion:

Zu Europa:

Lammert: „Die EU am Scheideweg ist keine Behauptung. Aber sie ist das ja nicht zum ersten Mal. Und ganz sicher auch nicht zum letzten Mal. Die europäische Integration ist eine Geschichte von Scheidewegen.“

Di Fabio: Wir sind in einer Lage der Uneindeutigkeit und stehen vor drückenden Problemen…. Ein Weiter so kann und darf es nicht geben. Es zeigt sich, dass die demokratische Legitimation in Europa mitwachsen muss. Aber: es hat sich nicht so ergeben.“

Stark: „Europa steht vor einer Zerreißprobe. Wegen der Kumulation von Problemen, von ungelösten Krisen, die sich überlagern. Und das hat zu einer Vertrauenskrise geführt. Die Lösungsfähigkeit der Politik wird angezweifelt. Wir erleben ein Durchwursteln ohne Konzept.“

Steltzner: „Wir müssen anerkennen, dass wir es mit einer EU der unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu tun haben.“

 

Zum Brexit:

Lammert: „War der Brexit Irrtum oder Befreiungsschlag? ... Ergibt sich aus der Brexit-Entscheidung der Briten eine Rechtsverpflichtung für die britische Regierung, den EU-Austritt zu erklären? Gibt es dafür einen Zeitraum?... Ich bin nicht sicher, ob die Briten den Schuss gehört haben. Oder (und) ist das Referendum nicht der Beleg dafür, dass sie den Schuss nicht gehört haben? … Wie sollen wir nun mit GB umgehen? Meine Empfehlung: Weder ein Exempel statuieren, noch einem Mitgliedsstaat eine Mitgliedschaft à la carte anbieten. … Wir müssen ein Interesse an einer engen Partnerschaft mit Großbritannien haben. Sowohl ökonomisch als auch politisch.“

 

Zur EZB:

Lammert: Die EZB erweist sich gerade als handlungsfähiger als andere. Natürlich muss sie sich ein paar kritische Fragen gefallen lassen. Sie ist aber nicht der Kern des Problems.

Di Fabio: Sie ist nicht die Quelle der Probleme, aber auch nicht die Lösung.

 

Zur Zukunft Europas:

Lammert: „Ein grotesker Anachronismus wäre es jetzt, den Glanz und die Entscheidungsfähigkeit der Nationalstaaten zu preisen.“

Di Fabio: „Die Europäischen Organe – nicht nur die Kommission sind überfordert und haben ja auch keine Macht. Die Macht haben die Mitgliedstaaten.“

Stark: „Wir brauchen mehr politische Gestaltung und müssen dem Zentralisierungswahn einen Riegel vorschieben. Nicht noch mehr an Entscheidungen darf nach Brüssel abwandern. … Wir müssen das Subsidiaritätsprinzip wiederbeleben und damit wieder Bürgernähe herstellen. Es geht um die demokratische Legitimation des Integrationsprojektes.“