29.06.23

Digitaler Euro: Wenig Nutzen, viele Risiken!

Am 28. Juni legte die Europäische Kommission ein Legislativpaket zur Schaffung eines Rechtsrahmens für einen möglichen digitalen Euro und zur Wahrung der Akzeptanz des Bargeldes als Zahlungsmittel vor. Mit der Verordnung zur Etablierung des digitalen Euro soll in Europa eine dritte Geldform neben Bar- und Giralgeld geschaffen werden. Der Euro in seiner digitalen Form könnte, nach Plänen der Europäischen Zentralbank (EZB), dann bereits im Jahr 2026 eingeführt werden. Mit einem begleitenden Legislativvorschlag über den Status von Banknoten und Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel will die Kommission Befürchtungen entgegentreten, dass der digitale Euro als möglicher Ersatz von Bargeld verstanden wird und betont dessen ergänzende Rolle.

 

Zentrale Elemente des Gesetzesvorschlags zum digitalen Euro

Der digitale Euro soll allen natürlichen und juristischen Personen für die Abwicklung von Massenzahlungen, wie das bei Bargeld auch heute der Fall ist, kostenlos zur Verfügung stehen. Er soll den Status des gesetzlichen Zahlungsmittels erhalten. Die Kommission will, dass er von jeglichen Empfängern von Zahlungen akzeptiert werden muss. Lediglich Kleinstunternehmen sollen das Recht haben, die Annahme des digitalen Euro zu verweigern. Dies soll auch für natürliche Personen, die rein private Transaktionen tätigen gelten. Die Verordnung soll jedoch die Vertragsfreiheit des Zahlers bzw. des Zahlungsempfängers nicht beschneiden. So können sie im Einzelfall ausdrücklich ein anderes Zahlungsmittel vereinbaren und die Akzeptanz des digitalen Euro ausschließen.

Banken und andere Zahlungsdienstleister müssen den Nutzern zu jeder Zeit Zahlungen mit dem digitalen Euro anbieten und Digitale-Euro-Zahlungskonten zur Verfügung stellen. Die Zahlungsdienstleister sollen keine zusätzliche Genehmigung ihrer zuständigen Aufsichtsbehörde benötigen, um Zahlungsdienste mit dem digitalen Euro erbringen zu dürfen. Der digitale Euro soll in erster Linie als eine zusätzliches Zahlungsinstrument etabliert werden und ist nicht als Wertaufbewahrungsmittel („store of value“) gedacht. Die EZB plant daher auch Obergrenzen für das Guthaben, welches Nutzer auf ihren Digital-Euro-Zahlungskonten halten dürfen. Im Gespräch sind hier bis zu 3000 Euro.

Benötigt Europa ein digitales gesetzliches Zahlungsmittel wirklich?

Als Motivation für die Einführung des digitalen Euro nennt die Kommission insbesondere zwei Gründe:

Erstens verweist sie auf die zunehmende Verbreitung von Stablecoins und von digitalen Währungen, die von anderen Zentralbanken geschaffen werden. Damit sind vor allem die gescheiterte und von Meta (ehemals: Facebook) initiierte Digitalwährung Libra und Stablecoins anderer Anbieter sowie der im Jahr 2020 eingeführte e-CNY in China gemeint. Die Kommission befürchtet, dass diese Initiativen in der sich schnell verändernden digitalen Welt in zunehmende Konkurrenz zu bestehenden staatlichen und privaten Zahlungslösungen treten könnten. Mit dem digitalen Euro will sie diesem verschärften Wettbewerb entgegentreten, auch im Sinne des übergeordneten Ziels der Wahrung der strategischen Autonomie der EU.

Weshalb sich die Kommission insbesondere vor der Entwicklung privater Stablecoins fürchtet, ist dabei nicht recht nachvollziehbar. Denn erst kürzlich wurde mit der Verordnung  über Märkte für Kryptowerte (MiCA-Verordnung, scepAnalyse 01/2021) ein Rechtsrahmen etabliert, der auch die Risiken, die von Stablecoins ausgehen können, adressiert. De facto war die EU die erste Jurisdiktion weltweit, die eine umfassende Regulierung von Kryptowerten, also auch Stablecoins, geschaffen hat. Es erscheint daher derzeit wenig wahrscheinlich, dass alternative private Währungen bzw. Stablecoins, die Funktionsfähigkeit der europäischen Zahlungsmärkte und die Hoheit der EZB über das Währungsmonopol gefährden könnten.

Zweitens verweist die Kommission auf die rückläufige Verwendung von Bargeld in der EU. Nach Angaben der EZB wurden 2022 nur noch 59 % der Transaktionen an den Verkaufsstellen mit Bargeld getätigt. 2016 betrug dieser Anteil noch 79 %. Bargeld ist jedoch heutzutage die einzige Geldform, die direkt von den Zentralbanken ausgegeben wird. Es stellt – im Gegensatz zu Bankeinlagen – eine Verbindlichkeit gegenüber der Zentralbank dar. Sollte der Trend also anhalten und Bargeld perspektivisch gänzlich verschwinden, geht damit auch ein Verschwinden der einzigen Form von Zentralbankgeld einher. Die Einführung eines digitalen Euro soll damit auch sicherstellen, dass es auch in Zukunft noch direkt von einer Zentralbank – hier insbesondere der EZB – ausgegebenes Geld geben wird.

Kurzeinschätzung

Die nun von der Kommission und der EZB angetriebene Implementierung eines digitalen Euro ist in erster Linie angstgetrieben. Sie ist geprägt von der Furcht, dass die EU auf den Zahlungsmärkten noch weiter an Anschluss verlieren könnte und die EZB den direkten Draht zu den Bürgerinnen und Bürgern verlieren und die Geldversorgung aufgrund der abnehmenden Bedeutung von Bargeld nurmehr allein über die Geschäftsbanken erfolgen könnte. Die Gesetzesentwürfe enthalten jedenfalls keine hinreichende Darlegung der Notwendigkeit eines digitalen Euro. Der absolute Mehrwert des digitalen Euro wird nicht ersichtlich. Es ist zu bezweifeln, dass die Nutzer allein deshalb auf den digitalen Euro als digitales Zentralbankgeld umsteigen werden, um die strategische Autonomie des Euroraums zu wahren oder zu stärken. Stattdessen wird der digitale Euro in direkte Konkurrenz zu bestehenden, in der Breite gut funktionierenden und äußerst vielfältigen privaten Zahlungslösungen treten, egal ob diese von Unternehmen innerhalb der EU oder auch von Anbietern aus Drittstaaten (z.B. PayPal, Visa) bereitgestellt werden. Der Europäische Zahlungsmarkt bietet jedenfalls schon heute zahlreiche digitale Zahlungsmöglichkeiten, etwa auf Basis von Kredit- und Girokarten, kontaktlosen Lösungen und auch solchen, die auf das Smartphone setzen. Es besteht daher die Gefahr, dass der digitale Euro – auch wenn neue innovative zusätzlichen Angebote auf dessen Basis mit Unterstützung der Privatwirtschaft entstehen sollen –, diese existierenden Lösungen ohne Not verdrängen könnten. Dies gilt umso mehr, als dass die EZB damit werben kann, dass der digitale Euro ausfallsicher sein wird und kostenlos bereitgestellt werden soll. Damit greift sie jedoch ungebührlich in den Wettbewerb um die geeignetste Zahlungslösung ein und hat allein aufgrund der Tatsache, dass der Staat bzw. hier die EU und auch die EZB hinter dem Projekt steht, einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil.

Dies soll kein Plädoyer dafür sein, die Entwicklung einer digitalen Zentralbankwährung einzustellen. Aufgrund des raschen technologischen Wandels, neuer staatlicher und privater Wettbewerber, aber auch aufgrund von geopolitischen und geostrategischen Erwägungen, muss die EU und mit ihr die EZB hier auf der Höhe der Zeit sein und bleiben, Sie sollten nicht noch einmal, wie es noch bei Libra der Fall war, von neuen Entwicklungen überrascht werden. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es jedoch keine absolute Notwendigkeit für die Einführung des digitalen Euro. Er sollte daher zunächst allenfalls als Back-Up-Lösung konzipiert werden und verschiedene Ausgestaltungsoptionen nicht von vornherein ausschließen.

Zudem sollte die Kommission ihre Erwartungen an die Zahlungsdienstleister, Basislösungen rund um den digitalen Euro anbieten zu müssen, zurückschrauben. Sie sollte dies nicht einfach von ihnen verlangen. Denn die Kosten für die Umsetzung sind enorm. Gleichsam ist fraglich, ob sie auf die nötige Nachfrage stoßen. Anstatt den Finanzsektor zu zwingen, sich auf ein Wagnis mit dem digitalen Euro einlassen zu müssen, sollte die Kommission und die EZB ihre Zusammenarbeit mit den Zahlungsdienstleistern stärken und ein stabiles, innovationsfreundliches Rechtsumfeld schaffen, um den Wandel auf den Massenzahlungsmärkten voranzutreiben und sich entwickelnden europäischen Zahlungsinitiativen nicht das Wasser abzugraben.

Die Erfahrungen in China zeigen zudem, dass die Einführung digitaler Währungen nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein müssen. Der E-Yuan wird trotz der Unterstützung des chinesischen Staates kaum genutzt, weil die Bürgerinnen und Bürger Alternativen bevorzugen. Dies zeigt, dass sich neue Geldformen nicht einfach durchsetzen, nur weil sie von Zentralbanken und staatlichen Organen ausgegeben und beworben werden. Bürgerinnen und Bürger wählen letztlich diejenige Geldform, die ihnen gefällt.

Nächste Schritte

Die Gesetzesentwürfe müssen nun zunächst vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligt werden. Das finale Wort hat dann die EZB. Sie will voraussichtlich im Oktober 2023 Ergebnisse einer zweijährigen Untersuchungsphase präsentieren und dann eine ca. dreijährige Test-, und Entwicklungsphase („Umsetzungsphase“) starten. Erst wenn diese Phase erfolgreich abgeschlossen ist, also wohl 2026, könnte der digitale Euro Realität werden.

Öffnet externen Link in neuem FensterDr. Anastasia Kotovskaia LL.M. und Öffnet externen Link in neuem FensterPhilipp Eckhardt (Fachbereich Finanzmärkte und Informationstechnologien, cep)

Öffnet externen Link in neuem FensterVictor Warhem (Ökonom und Experte für digitale Finanzen am cepFrance)