07.11.19

Deutsches „Ja“ zu EU-Einlagensicherung?

Bundesfinanzminister Scholz hat in einem Pressebeitrag eine neue deutsche Position zur Weiterentwicklung der Bankenunion umrissen.

Neu an den Äußerungen von Bundesfinanzminister Scholz ist weniger der Inhalt. Vielmehr ist es die vorgeschlagene Vorgehensweise. Bisher hat die Bundesregierung immer darauf verwiesen, dass über eine Teilung von Risiken im EU-Bankensektor - etwa durch eine EU-Einlagensicherung - erst dann verhandelt werden kann, wenn die Risiken vorher abgebaut wurden. Nun zeigt sich der Minister bereit, sofort über eine EU-Einlagensicherung zu verhandeln, wenn der Abbau eben dieser Risiken Teil des Verhandlungspakets ist. Dass die EU-Einlagensicherung erst am Ende stehen kann, also nachdem diese Risiken erfolgreich abgebaut wurden, daran lässt Scholz erneut kein Zweifel. Sein neuer Ansatz ist daher eine Flucht aus der Defensive. Deutschland verhindert nicht länger die EU-Einlagensicherung, sondern will, dass Euro-Staaten wie Italien nun die Frage beantworten müssen, ob sie den von Scholz geforderten Maßnahmen zur Risikoreduzierung zustimmen.

Diese Maßnahmen haben es durchaus in sich und dürften aus Sicht des cep für einige Euro-Staaten sehr schwer zu akzeptieren sein. In der Sache hat Scholz seine Position hier also kaum geändert.

  • Nach wie vor fordert er eine strengere Abwicklung auch von kleineren Banken (die aber in der Regel national finanziert werden sollte) und eine Hinterlegung von Staatsanleihen mit Eigenkapital. Beides dürfte für Italien sehr schwer zu akzeptieren sein.
  • Er unterstützt eine stärkere Konsolidierung des EU-Bankensektors über Kapital- und Liquiditätsregeln, die in der Regel auf der Konzernebene abstellen. Das dürfte Frankreich gefallen, aber in Zentral- und Osteuropa auf Widerstand stoßen.
  • Er verlangt eine Senkung der notleidenden Kredite (NPL-Quote) auf 5% brutto in allen Mitgliedstaaten. Für Euro-Staaten wie Griechenland mit einer NPL-Quote von nahezu 40%, dürfte dies sehr schwer zu erreichen sein.
  • Euro-Staaten sollten nicht von der neu geschaffenen Sicherheit profitieren, indem sie durch niedrige Steuern einen großen Bankensektor anzüchten, für deren Sicherheit dann andere Staaten zuständig sind. Auch hier dürften sich die Positionen Deutschlands und Frankreichs überdecken. Allerdings setzt jegliche Steuerharmonisierung eine Einstimmigkeit in der EU voraus. Ohne die Zustimmung aus Irland und Luxembourg wird das also nicht funktionieren.

Der eigentliche Vorschlag für das EU-Einlagensicherungssystem setzt auf eine Liquiditätsunterstützung zwischen nationalen Einlagensicherungssystemen. Dass die nationalen Systeme bestehen bleiben und das EU-System als Rückversicherung angelegt werden soll, berücksichtigt ein Stück weit deutsche wie auch französische Interessen. Französische Banken etwa profitieren von einer Ausnahme, die es ihnen erlaubt, weniger Mittel im nationalen System vorhalten zu müssen. Scholz' Vorschlag schließt nicht aus, dass es dabei bleibt. Auch die deutsche Institutssicherung könnte in dem Szenario weiterbestehen, auch wenn die EU-Liquiditätsreserve und die innerdeutsche Anrechnung zwischen den Systemen zusätzliche Kosten verursachen dürfte. Scholz' Vorschlag, wonach EU-Gelder erst dann zur Verfügung stehen, wenn die Mittel der nationalen Einlagensicherungssysteme erschöpft wurden, dürfte in Paris und Frankfurt auf Zustimmung stoßen.

Auch Sicht des cep sind die Vorschläge des Bundesfinanzministers durchaus konsistent, wenngleich nicht ohne Risiko. Sie stellen eine vertretbare Mischung aus nationaler Eigenverantwortung, Förderung des EU-Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen und Wahrung der Finanzmarktstabilität dar. Viele essentielle Fragen bleiben jedoch noch zu klären. Auf jeden Fall ändert Scholz die deutsche Strategie. Sein neuer Ansatz fokussiert nicht länger auf der Verhinderung einer EU-Einlagensicherung als prioritäres Ziel. Die entscheidende Frage ist allerdings, wie das Verhandlungsergebnis am Ende aussehen wird. Davon wird abhängen, ob die EU-Einlagensicherung zu vertretbaren Bedingungen eingeführt wird und der EU-Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen überhaupt voranschreiten kann. Im schlimmsten Fall werden die Bedingungen im Laufe der Verhandlungen abgeschwächt und steht am Ende eine quersubventionierende EU-Einlagensicherung ohne weitere Integration des EU-Bankenmarktes. Angesichts der unterschiedlichen Interessen der Eurostaaten ist eine solche Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aber nicht ausgeschlossen. Dies gilt es unbedingt zu verhindern.

Abzuwarten bleibt auch, inwieweit die neue Herangehensweise tatsächlich eine in der Bundesregierung mit der Bundeskanzlerin abgestimmte Position darstellt. Schon in der Vergangenheit haben sich einige Vorschläge von Scholz - etwa zu einer EU-Arbeitslosenversicherung - im Nachhinein als Positionen erwiesen, die nicht die Unterstützung des konservativen Koalitionspartners trugen."