05.07.18

cep warnt vor Aufweichung der ESM-Konditionalität

Das cep warnt eindringlich vor den anstehenden Änderungen hinsichtlich der vorsorglichen ESM-Finanzhilfe in Form von Kreditlinien, wie sie in der Meseberger Erklärung angedeutet und im jüngsten Brief des Eurogruppenchefs Centeno an EU-Ratspräsident Tusk konkretisiert wurden.

Die angestrebten Änderungen erhöhen das finanzielle Risiko der Steuerzahler und könnten zum Einfallstor für eine weitgehende Aufweichung der Konditionalität der ESM-Hilfe werden.

Kritisch ist erstens, dass Eurostaaten ESM-Kreditlinien künftig auch ohne wirtschaftspolitische Auflagen (MoU) genehmigen wollen. Bisher greifen solche Auflagen bereits bei der Genehmigung der Kreditlinie – also bevor die Kreditlinie aktiviert wird und Hilfe tatsächlich fließt. Werden die wirtschaftspolitischen Auflagen nicht laufend erfüllt, kann der ESM – nach heutigem Stand – die tatsächliche Inanspruchnahme der Kreditlinie durch den betroffenen Eurostaat ablehnen.

Künftig soll diese Kontrolle weitgehend entfallen. Stattdessen müssen Eurostaaten – wie schon bisher – lediglich bei der Beantragung der Kreditlinie nachweisen, dass sie einige fiskalpolitische Auflagen – explizit auch nur teilweise – erfüllen. Relevant ist insbesondere der – in der Vergangenheit nicht sonderlich glaubwürdige – Stabilitäts- und Wachstumspakt. Ob diese Vorgehensweise mit der EuGH-Rechtsprechung vereinbar ist, nachdem Hilfe mit strikter Konditionalität verbunden sein muss („Pringle“), ist sehr fragwürdig.

Zweitens ist zu kritisieren, dass diese Auflagen künftig nur einmalig bei der Beantragung greifen. Sie werden anschließend erst dann wieder verbindlich, wenn der Eurostaat die Kreditlinie tatsächlich aktiviert. In der Zwischenzeit kann sich die Lage des Mitgliedstaates also wesentlich verschlechtert haben. Der Bundestag müsste also einer Kreditlinie zustimmen, ohne zu wissen, wie Riskant die spätere tatsächliche Risikogewährung wird.

In der Gesamtbetrachtung ergibt sich daher ein besorgniserregendes Bild: Nach einer wohl oberflächigen Erstkontrolle dürfte der ESM verpflichtet sein, einen Eurostaat finanziell zu unterstützen und kann diese Hilfe weder von der ex-ante Erfüllung wirtschaftspolitischer Bedingungen (wie bei den bestehenden Kreditlinien) noch von der ex-post Verpflichtung dazu (wie bei bestehenden ESM-Darlehen) abhängig machen.

Diese Vorgehensweise mag Politikern entgegenkommen, die den Eindruck vermeiden wollen, sie beugen sich einem Brüsseler Reformdiktat. Sie ist aber sehr riskant. Kreditlinien sind da, um nicht gezogen zu werden. Sie sollten dem betroffenen Staat die Zeit geben, wirtschaftspolitische Reformen durchzuführen. Mit Kreditlinien ohne Reformauflagen steigt das Risiko, dass die Reformen ausbleiben, die Finanzmärkte die Kreditfähigkeit des Landes in Zweifel ziehen und die Kreditlinien tatsächlich in Anspruch genommen werden müssen. Mit einer vorbeugenden Hilfe, die Kreditlinien eigentlich sein sollten, hat das nichts mehr zu tun.

Für Nachfragen steht Ihnen Dr. Bert Van Roosebeke (vanroosebeke(at)cep.eu, 0761/38693-230) zur Verfügung.