25.05.23

cep begrüßt Abkehr von avisierten flächendeckenden Provisionsverboten

Ende Dezember 2022 sorgte die EU-Finanzmarktkommissarin McGuinness noch für enormen Wirbel in der Finanzbranche. Aus mehreren Statements ging hervor, dass sie provisionsbasierte Vertriebsmodelle, die in der Finanz- und Versicherungsbranche gängige Praxis sind, sehr kritisch sieht. So bezweifelte sie etwa, dass diese Modelle wirklich im Interesse von Kleinanlegern sind. Sie behauptete ferner, dass Finanz- und Versicherungsprodukte, die provisionsbasiert vertrieben werden, häufig teuer seien und Kleinanleger nur selten günstige börsengehandelte Fonds (ETFs) angeboten werden. Am regulatorischen Horizont zeichnete sich daher die Möglichkeit der Einführung von Provisionsverboten und damit des Ende eines etablierten Geschäftsmodells ab. Ende April 2023 ruderte McGuinness dann zurück und kündigte an, doch auf umfassende Provisionsverbote verzichten zu wollen.

Am 24. Mai 2023 hat die Kommission die Ankündigung mit der Veröffentlichung ihrer Anlagestrategie für Kleinanleger, in deren Rahmen zahlreiche EU-Rechtsvorschriften zum Anlegerschutz angepasst werden sollen, nun wahr gemacht. Das cep hält die vollzogene (vorläufige) Abkehr von umfangeichen Provisionsverboten für sachgerecht. Denn flächendeckende Provisionsverbote hätten nicht nur den Wettbewerb um das beste Vertriebsmodell stark beschränkt, sondern auch die Wahlfreiheit der Kleinanleger massiv beschnitten. Sie wären dann vom Gesetzgeber gezwungen worden, auf andere, für sie möglicherweise weniger vorteilhafte Vertriebswege auszuweichen. Der provisionsbasierte Vertrieb kann zwar durchaus mit Fehlanreizen verbunden sein. So kann er zu einem Vertrieb von möglichst vielen Produkten und solchen mit hohen Provisionen anregen. Aber auch konkurrierende Vertriebswege haben ihre Schwächen. So kann ein Honorarberater ggf. dem Anreiz unterliegen gehäuft und in regelmäßigen Abständen Beratungsleistungen gegenüber seinen Kunden erbringen zu wollen. Zudem ist der Zugang zur Anlageberatung bei einer Honorarberatung regelmäßig erschwert, da es sich viele finanzschwache Kunden schlicht nicht leisten können, ex ante ein Honorar zu zahlen, das für einen Berater auskömmlich ist. Provisionsverbote bergen daher die Gefahr, dass sich Berater auf wohlhabende Kundengruppen fokussieren. Dies konnte in gewissem Ausmaß etwa in Großbritannien und den Niederlanden beobachtet werden, wo es seit Jahren Beschränkungen des provisionsbasierten Vertriebsmodells gibt.

Mit einem Provisionsverbot hätte die Kommission daher die Schwächen und Stärken des auf Zuwendungen basierenden Vertriebsmodells quasi eliminiert und Kleinanleger gleichzeitig gezwungen, die Schwächen anderer Modelle akzeptieren bzw. annehmen zu müssen oder sie dazu gedrängt auf möglicherweise sinnvolle Finanz- und Versicherungsberatung gänzlich zu verzichten.

Statt umfassenden Provisionsverboten – nur für reine Ausführungsgeschäfte ohne Beratung sollen sie vorgeschrieben werden – geht die Kommission nun andere Wege. So setzt sie insbesondere auf strengere Qualifizierungs- und Zertifizierungsanforderungen, auf die Einführung von Benchmarks, mit denen das Preis-Leistungsverhältnis der angebotenen Produkte aufgezeigt werden soll, sowie auf strengere Vorgaben für beratungsfreies Geschäft (u.a. durch ein Geeignetheitstest bei komplexen Produkten). Auch sollen die Kriterien, die Anbieter beachten müssen, um zu zeigen, dass sie im besten Interesse ihrer Kunden agieren, verschärft, zusätzliche Regeln für das Online-Marketing etwa über soziale Medien geschaffen und die Finanzkompetenz der Anleger verbessert werden. Lockerungen soll es hingegen bei der Einstufung von professionellen Anlegern geben. Für diese gelten die Vorkehrungen zum Anlegerschutz nicht vollumfänglich. Als Profianleger sollen künftig bereits Anleger mit einem Vermögen von 250.000 Euro statt bisher 500.000 Euro gelten können.

Das cep hält insbesondere die Stärkung der Finanzkompetenz der Kleinanleger für zwingend. Damit werden sie in die Lage versetzt, die Eigenheiten, finanziellen Konsequenzen und die Vor- und Nachteile Anlage- und Versicherungsprodukte, aber auch der verschiedenen Vertriebswege besser verstehen und darauf basierend fundierte Anlageentscheidungen treffen können. Kritisch sieht das cep insbesondere die geplanten Preis-Leistungs-Benchmarks. Zwar können damit ggf. gewisse Auswüchse besser erkannt und adressiert werden. Es wird dem Anleger jedoch suggeriert, dass teurere regelmäßig nicht die Produkte der Wahl sind und dass nur die günstigsten Angebote auch die Geeignetsten für ihn sind. Das ist jedoch nicht zwingend der Fall. Ferner sollten Verbraucher, die sich für ein beratungsfreies Geschäft entscheiden, nicht gezwungen werden, einem Anbieter umfangreiche Informationen, etwa über seine Fähigkeit Verluste tragen zu können, preisgeben zu müssen, bevor sie eine Anlageentscheidung zu komplexen Produkten treffen dürfen. Diese Verbraucher haben sich aktiv für ein eigenverantwortliches Agieren entscheiden und sollten daher auch etwaige daraus resultierende negative Konsequenzen selbst tragen. Ihnen stehen grundsätzlich vielfältige Alternativen zur Verfügung, bei denen ihnen ein Anlageberater unter die Arme greifen kann und die Geeignetheit eines Anlageprodukts für sie unter die Lupe nimmt. Zwiespältig sieht das cep die Anpassungen zur Einstufung von professionellen Anlegern. Einerseits entlasten sie viele Investoren, die wenig schutzbedürftig sind und senken den administrativen Aufwand für den Finanz- und Versicherungsvertrieb. Schwellenwerte, die am Vermögen von Anlegern ansetzen, sind letztlich jedoch einer gewissen Willkür unterworfen. Denn die Fähigkeit fundierte Investitionsentscheidungen treffen zu können, ist nicht unbedingt allein vom Finanzvermögen eines Anlegers abhängig. Positiv ist daher, dass neben dem Kriterium der Höhe des Finanzvermögens künftig auch die Kenntnisse und Erfahrungen des Investors eine größere Rolle spielen sollen.

Das Finanzmärkte-Team des cep hat sich bereits in einer cepStudie und im Rahmen eines Beitrags für die Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ausführlich mit den Plänen der EU-Kommission zum provisionsbasierten Finanzvertrieb auseinandergesetzt.

 

Ansprechpartner

Philipp Eckhardt

Wissenschaftlicher Referent Finanzmärkte

Tel.: +49 761 38693-241

eckhardt@cep.eu