19.04.23

Bankenkrisen: EU-Kommission will EU-Rechtsrahmen zur Bankenabwicklung und zur Einlagensicherung anpassen

Am 18. April 2023 legte die Europäische Kommission ein umfassendes Gesetzespaket zur Reform der Bankenabwicklung und der Einlagensicherung vor. Die jüngsten Turbulenzen in den USA, bei denen mehrere kleinere Kreditinstitute zusammenbrachen, haben die langerwartete Reform wieder in den Mittelpunkt gerückt. Die Befürchtung, dass Europa ein ähnliches Schicksal bevorstehen könnte, wurde durch den Fall der Credit Suisse noch verstärkt. Darüber hinaus sind in den letzten Jahren die Schwachstellen des EU-Rechtsrahmens für die Bankenabwicklung im Umgang mit Pleiten kleiner und mittelgroßer Banken deutlich geworden. Für sie wurden die Mechanismen des harmonisierten Abwicklungsrahmens der EU nämlich kaum angewandt. Stattdessen wurden zur Rettung der Banken meist Steuergelder eingesetzt, statt die Eigentümer und Gläubiger der Banken in die Mithaftung zu nehmen und auf von der Industrie finanzierte Sicherheitsnetze zurückzugreifen.

Umfang und Ziele der Reform

Im Zuge der Vollendung der Bankenunion schlägt die Kommission gezielte Anpassungen des Rahmens für das Krisenmanagement und die Einlagensicherung (Crisis Management and Deposit Insurance, CMDI) vor, um die Finanzstabilität zu schützen und Bankzusammenbrüche auf geordnete und wirtschaftlich effiziente Weise zu bewältigen. Das Paket beinhaltet zahlreiche Änderungen der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD, s. cepAnalyse 10/2013 und cepAnalyse 11/2013), der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme (DGSD, s. cepAnalyse) der Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRMR, s. cepAnalyse 42/2013) sowie des sog. Daisy Chain Act, der die Regeln für Beteiligungsketten innerhalb von Abwicklungsgruppen festlegt.

Mit den Vorschlägen will die Kommission erreichen, dass jede strauchelnde Bank reibungslos und zügig abgewickelt werden kann, ohne dass die Steuerzahler und Einleger in die Mithaftung genommen werden. Darüber hinaus zielen die vorgeschlagenen Änderungen darauf ab, die bis jetzt unterschiedlich gestalteten Einlagensicherungssysteme in der EU weiter zu vereinheitlichen. Die Kommission legt ihr Fokus insbesondere auf die Wahrung der Finanzstabilität, den verstärkten Einlegerschutz sowie die Milderung der Auswirkungen einer Bankenpleite auf die Realwirtschaft.

Zentrale Änderungsvorschläge im Überblick

  • Ausweitung des Umfangs der abwicklungsfähigen Banken und Verbesserung der Kohärenz des Rahmens für frühzeitiges Eingreifen

Die Kommission will die Regeln für die Bewertung des öffentlichen Interesses (Public interest assessment, PIA) anpassen. Bei der Bewertung des öffentlichen Interesses wird die Verhältnismäßigkeit der Abwicklung gegenüber einer Insolvenz verglichen. Besteht kein öffentliches Interesse an einer Abwicklung, muss die Bank nach den nationalen insolvenzrechtlichen Verfahrensordnungen behandelt werden. Der vorgelegte Gesetzesentwurf enthält mehrere Änderungen bei den Kriterien, die für die PIA herangezogen werden. Erstens sollen potenzielle bedrohliche Auswirkungen einer Bankenpleite auf die Realwirtschaft oder die Finanzstabilität schon in einer Region ausreichen, um das Vorhandensein des öffentlichen Interesses nachzuweisen. Bisher muss ein Bankausfall negative Folgen auf der nationalen Ebene haben, damit eine Abwicklung in Frage kommen kann. Zweitens sollen die Abwicklungsbehörden laut dem Entwurf bei der PIA die Finanzierung über den Einheitlichen Abwicklungsfond (SRF) oder die Einlagensicherungssysteme einer Finanzierung durch Mittel aus den Haushalten der Mitgliedstaaten vorziehen. Die Kommission betont, dass die von den Mitgliedstaaten bereitgestellte Finanzierung ein hohes moralisches Risiko birgt und die Marktdisziplin schwächt. Drittens soll nun eine Abwicklung einem Insolvenzverfahren vorgezogen werden, wenn letzteres für das Einlagensicherungssystem größere Verluste verursacht. Viertens sollen Abwicklungsbehörden ihre Entscheidungen ausführlicher begründen, wenn sie zum Schluss kommen, dass die Abwicklung nicht im öffentlichen Interesse liegt. Letztlich soll jedoch das Ermessen der Abwicklungsbehörden bei der Durchführung einer PIA bestehen bleiben.

  • Nutzung zusätzlicher Finanzierungsquellen im Abwicklungsfall

Künftig sollen neben den Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten - die interne Verlustabsorptionskapazität einer Bank (MREL) - auch verstärkt Mittel aus den nationalen Einlagensicherungsfonds für die Finanzierung einer Abwicklung eingesetzt werden können. Laut dem geltenden Recht muss die Finanzierung im Abwicklungsfall zunächst durch die internen Ressourcen der Bank erfolgen, die zur Deckung ihrer Verluste verwendet werden (Bail-in). Dazu gehören in erster Linie das Eigenkapital und andere Verbindlichkeiten. Diese Finanzierung kann mit den Mitteln des Einheitlichen Abwicklungsfonds ergänzt werden, allerdings erst nachdem mindestens 8% der gesamten internen Ressourcen der Bank verwendet wurden. Der Reformentwurf lässt die Verwendung der Mittel aus den nationalen Einlagensicherungssystemen bei der Abwicklung als eine "Brücke" zur Erfüllung der8 %-Bedingung zu. Die Erfüllung dieser Bedingung bereitete in der Vergangenheit insbesondere Banken mit vielen Einlegern Probleme. Ziel der verstärkten Nutzung der nationalen Einlagensicherungsfonds ist laut Kommission, die Einleger vor unnötigen Verlusten zu schützen sowie den Zugang zu finanziellen Mitteln bei der Bankenabwicklung zu erleichtern.

  • Stärkung des Einlegerschutzes

Der Gesetzvorschlag sieht gezielte Verbesserungen der Bestimmungen der Einlagensicherungsrichtlinie vor. Sie befassen sich vor allem mit der Harmonisierung der nationalen Vorschriften und Verbesserung der Transparenz in Bezug auf die finanzielle Solidität von Einlagensicherungssystemen sowie mit den Regeln für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Die Kommission will zudem den Einlegerschutz ausweiten. Die bisherige gesetzlich festgeschriebene Deckungssumme der Einlagen von 100.000 Euro pro Einleger und Bank bleibt zunächst bestehen. Zusätzlich soll nun insbesondere sichergestellt werden, dass auch Einlagen, die temporär die 100.000 Euro-Schwelle überschreiten, geschützt sind. Hier denkt die Kommission an bestimmte Einlagenzuflüsse als Folge bestimmter Lebensereignissen wie z. B. Erbschaften oder Versicherungsleistungen. Für solche Situationen sollen Einlagen temporär für eine Dauer von sechs Monaten bis zu 500.000 Euro geschützt werden. Zusätzlich soll der Einlegerschutzes auch auf bestimmte öffentliche Einrichtungen, einschließlich Schulen, Krankenhäuser und Gemeinden ausgeweitet werden.

  • Klärung von Bestimmungen zum frühzeitigen Eingreifen bei Bankenschieflagen

Die Kommission will bestimmte Überschneidungen bei den Regelungen zum frühzeitigen Eingreifen und den Aufsichtsmaßnahmen beseitigen und damit mehr Rechtssicherheit für die betroffenen Kreditinstituten und die zuständigen Behörden schaffen.

  • Erweiterung des Mandats der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA)

Der EBA sollen zusätzliche Aufgaben übertragen werden. Zu den neuen Aufgaben sollen die Überwachung der von den Abwicklungsbehörden ergriffenen Maßnahmen sowie die Ermittlung der Unterschiede bei der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit von Banken gehören. Somit soll eine einheitliche Anwendung des Rechtsrahmens sichergestellt werden.

Ausblick

Die Bemühungen der Kommission den Rechtsrahmen für die Bankenabwicklung und die Einlagensicherung zu optimieren, ist zweifellos zu begrüßen. Nichtsdestotrotz werden viele Einzelheiten des Pakets noch für Debatten sorgen. Ob die Reform in der vorgelegten Fassung umgesetzt wird, ist wenig realistisch. Zahlreiche Akteure haben schon Bedenken geäußert. Das Europäische Parlament und der Rat werden den Kommissionsvorschlag nun einer gründlichen Prüfung unterziehen und voraussichtlich zahlreiche Änderungen an den Kommissionsentwürfen vornehmen. Ob hier eine Einigung noch vor den Europawahlen im nächsten Jahr gelingt, bleibt abzuwarten. Insbesondere die Frage, wie mit den freiwilligen institutionsbezogenen Sicherungssystemen (IPS) umgegangen wird, die in einigen Mitgliedstaaten (z.B. Deutschland, Österreich und Italien) existieren, und einer EU-weiten Einlagensicherung ein Stück weit im Wege stehen, wird noch heiß diskutiert werden. Und auch der verstärkte Rückgriff auf die Gelder in den Einlagensicherungstöpfen bei der Bankenabwicklung stellt einen Paradigmenwechsel dar, der noch zu Kontroversen führen wird.

Dr. Anastasia Kotovskaia, LL.M.

Fachbereich Finanzmärkte und Informationstechnologien