17.10.19

PRESSESTATEMENT 86/2019

Brexit: Nach dem Deal ist vor der Einigung

Die Einigung der Brexit-Unterhändler auf einen Deal bewertet Bert Van Roosebeke vom cep:

„Wenn mit dem Deal nun ein harter Brexit voraussichtlich abgewendet wird, so ist das erfreulich. Abzuwarten bleibt aber, ob die Einigung auch in London und Brüssel die notwendige Mehrheit bekommt. Allerdings haben sich beide Parteien flexibel gezeigt. Johnson gibt einen Teil der Souveränität über Nordirland ab, indem er sich verpflichtet, weite Teile des EU-Rechts dort anzuwenden. Das ist politisch weitreichend und notwendig, um eine faktische Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden. Weil Nordirland aber auch Teil der Zollunion mit London sein wird, reicht dieses Zugeständnis nicht aus. Wichtig war, dass auch die EU sich bewegte und  in Zollfragen flexibel zeigte. In einer bisher noch unklaren Regelung lässt sie wohl zu, dass britische Beamten darüber entscheiden, ob ein Risiko besteht, dass Importe aus Drittstaaten nach Nordirland weiter in die EU transportiert werden. Im letzteren Fall sollen die Briten Zölle für die EU erheben. Das war für die EU lange unvorstellbar. Ob das Risiko für die EU, um Zolleinnahmen gebracht zu werden, akzeptabel ist, wird von den künftigen Detailregelungen abhängen.

Bemerkenswert an der Einigung ist, dass der Backstop, eine abstrakte Regel als Absicherung im Fall des Scheiterns der Verhandlungen gedacht, durch eine neue, inhaltlich unterfütterte Regelung ersetzt wurde. Auch hier hat die EU sich bewegt. Ihre Forderung, eine harte Grenze auf der irischen Insel zu jedem Preis zu vermeiden, hat die EU aufgegeben. Die neue Regelung muss erst vier Jahre nach Ende der Übergangsphase (also voraussichtlich in sechs Jahren) in der Nordirischen Assembly eine Mehrheit finden. Bis dahin gilt sie auf jeden Fall. Wird sie abgelehnt, gilt sie für weitere zwei Jahre. Was danach passiert, ist aber offen und könnte theoretisch zu einer harten Grenze führen. Dass die EU dieses Wagnis eingeht, ist vertretbar.

Nun muss es darum gehen, das Austrittsabkommen anzunehmen und sich mit frischer Kraft der eigentlichen Herausforderung zu stellen: der Regelung der künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien. Auch diese Verhandlungen dürften alles andere als einfach werden. Zu klären ist etwa die Frage, ob und unter welchen Umständen London bestehendes EU-Recht übernehmen will. Ohne eine solche regulatorische Angleichung dürfte ein umfassender freier Handel mit der EU schwierig werden. Dabei war die Möglichkeit, eigenes Recht zu setzen, gerade ein wichtiger Beweggrund für den Brexit. Nach dem Deal ist also vor der Einigung. Es steht noch sehr viel auf dem Spiel.“