30.07.19

PRESSESTATEMENT 68/2019

Bundesverfassungsgericht geht Konflikt mit EuGH zur Aufsichtsbefugnis der EZB aus dem Weg

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen SSM-Verordnung (Bankenaufsicht durch die EZB) erklärt Dr. Van Roosebeke, Fachbereichsleiter Finanzmärkte am Centrum für Europäische Politik (cep):

"Einig sind sich Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof lediglich darin, dass die EZB-Bankenaufsicht nicht gegen die Europäischen Verträge verstößt. Allerdings betont Karlsruhe eine Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden, die Luxemburg so nicht sieht und scheint nicht bereit, die Bankenaufsicht als ausschließliche Zuständigkeit der EZB anzuerkennen. Das Bundesverfassungsgericht geht den Konflikt mit dem Europäischen Gerichtshof über die Interpretation der Aufsichtsbefugnisse der EZB damit zum jetzigen Zeitpunkt aus dem Weg."

Das Bundesverfassungsgericht kommt mit Urteil vom 30. Juli 2019 [2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14] zum Schluss, dass die SSM-Verordnung nicht gegen die Europäischen Verträge verstößt. Die EZB kann damit weiterhin die Bankenaufsicht der Eurozone durchführen.

Erst am 8. Mai 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (L-Bank, C-450/17 P) die bankaufsichtliche Befugnis der EZB als "ausschließliche Zuständigkeit" eingestuft. Das cep hatte diese Urteil kritisiert (vgl. cepAdhoc) und sah aufgrund der Nähe zur Binnenmarktpolitik eher eine zwischen der EU und den Mitgliedstaaten "geteilte Zuständigkeit". Die Frage, ob eine "ausschließliche" oder "geteilte" Zuständigkeit vorliegt, ist insbesondere für die Aufgabenverteilung zwischen der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden relevant. Die EuGH-Entscheidung, wonach eine "ausschließliche Zuständigkeit" vorliegt, stärkt die Befugnisse der EZB zulasten der nationalen Aufsichtsbehörden.

Da Karlsruhe die SSM-Verordnung nun "durchgewunken" und nicht dem EuGH zur Prüfung vorgelegt hat, findet eine weitere gerichtliche Klärung dieser Frage vorerst nicht statt. "Trotz betonter Eintracht scheinen das Verfassungsgericht und der EuGH die Kompetenzverteilung in Fragen der Bankenaufsicht allerdings durchaus unterschiedlich zu interpretieren", so Van Roosebeke.

  • Während Luxemburg darauf hinwies, dass die EZB "'ausschließlich' für die (...) Beaufsichtigung 'sämtlicher' (...) Kreditinstitute zuständig ist" (EuGH, Tz. 37), verbleibt die Bankenaufsicht laut Karlsruhe "im Wesentlichen bei der Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden, während der EZB lediglich besondere Aufsichtsbefugnisse zukommen" (Pressemitteilung 52/2019 Bundesverfassungsgericht).
  • Obwohl die EZB den nationalen Aufsichtsbehörden jederzeit die Aufsicht über kleinere Banken entziehen kann (sog. "Selbsteintrittsrecht") sieht das Bundesverfassungsgericht darin keine "umfassende Aufsichtskompetenz der EZB" (Pressemitteilung 52/2019 Bundesverfassungsgericht).
  • Während das Gericht (in der Rechtssache T 122/15) Subsidiaritätsüberlegungen aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit der EZB als "irrelevant" abtat (dort, Tz. 65), geht das Bundesverfassungsgericht nicht so weit. Es sieht "angesichts der weiterhin bestehenden umfangreichen Befugnisse der nationalen Behörden" keine "offenkundige Verletzung des Subsidiaritätsprinzips". Implizit verneint Karlsruhe damit das Vorliegen einer ausschließlichen Zuständigkeit der EZB in der Bankenaufsicht, die zentrale Aussage des EuGH."