12.11.19

PRESSEINFORMATION 95/2019

Neuer Anlauf für die EU-Einlagensicherung?

Nach der Initiative von Bundesfinanzminister Scholz kommt Bewegung in die Debatte zur Schaffung eines Europäischen Einlagensicherungssystems (European Deposit Insurance Scheme, EDIS).

Scholz' Ansatz ist eine Flucht aus der Defensive. Mit seiner Initiative zwingt der Bundesfinanzminister nun die anderen Euro-Staaten ihrerseits konkrete Vorschläge zur Integration des EU-Bankenmarktes und zur Risikoreduzierung vorzulegen und zu diskutieren. Die Vorgehensweise ist dabei konsistent, wenngleich nicht ohne Risiko. Die von Scholz vorgeschlagene Elemente des Pakets stellen eine vertretbare Mischung aus nationaler Eigenverantwortung, Förderung des EU-Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen und Wahrung der Finanzmarktstabilität dar. Entscheidend wird aber sein, ob er sich in Brüssel durchsetzen kann. Denn davon wird abhängen, ob die EU-Einlagensicherung zu vertretbaren Bedingungen eingeführt, die Integration des EU-Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen voranschreiten und bestehende Risiken adäquat reduziert werden können. Jedes der vier Elemente des Vorschlages von Scholz ist dabei unverzichtbar, sollen erhebliche Umverteilungs- und Stabilitätsrisiken vermieden werden.

Zu den vier Voraussetzungen gehört:

  1. Die Bankenaufsicht und -abwicklung in der Eurozone soll effizienter werden, um eine "möglichst weitgehende europäische Marktintegration" für Finanzdienstleistungen zu ermöglichen.
  2. Bestehende Risiken sollen abgebaut werden.
  3. Eine Einlagensicherung für die Eurozone soll eingeführt werden.
  4. Das Steuerrecht soll harmonisiert und eine "effektive Mindestbesteuerung" eingeführt werden.

Trotz der Bewegung, die der Scholz-Vorschlag für die Debatte ausgelöst hat, hält das cep eine rasche Einigung für unwahrscheinlich.

Hintergrund

Die EU-Kommission hat 2015 einen Vorschlag zur Schaffung eines Europäischen Einlagensicherungssystems (European Deposit Insurance Scheme, EDIS) vorgelegt, welches bis 2025 die nationalen Einlagensicherungsfonds der Eurozone schrittweise ersetzen soll. Bisher ist die Einlagensicherung in der EU zwar EU-weit per Richtlinie geregelt. Die Richtlinie sieht etwa eine finanzielle Zielausstattung und einen harmonisierten Einlegerschutz von 100 000 € vor. Die Einlagensicherungssysteme sind allerdings national organisiert und werden durch den jeweiligen nationalen Bankensektor finanziert. Angesichts fehlender Fortschritte bei den Verhandlungen über EDIS schlug die EU-Kommission 2017 in einer Mitteilung zur Vollendung der Bankenunion eine neue abgeschwächte EDIS-Version vor. Danach sollte EDIS zuerst nur Liquiditätsunterstützung leisten und erst zu einem späteren Zeitpunkt auch Verluste von nationalen Einlagensicherungssystemen übernehmen. Dafür sollten einige Bedingungen wie der Abbau hoher Bestände an notleidenden Krediten erfüllt sein. Eine Eigenkapitalhinterlegung von Staatsanleihen brachte die Kommission aber nicht ins Gespräch.

Bis Ende 2019 gab es kaum nennenswerte Fortschritte bei den Verhandlungen. Deutschland, die Niederlande und einige andere Eurostaaten verweigerten die Aufnahme von Verhandlungen über EDIS, so lange die Risiken im Bankensektor nicht vorher wesentlich reduziert wurden. Dabei verwiesen sie wiederholt auf den Ecofin-Fahrplan zur Vollendung der Bankenunion vom Juni 2016. Dieser sieht vor, dass "weitere Schritte bei der Risikominderung und Risikoteilung im Finanzsektor - und zwar in der richtigen Reihenfolge - unternommen werden müssen, um einige verbleibende Herausforderungen anzugehen." Noch vor einem Jahr forderte die Bundesregierung in der Eurogruppe eine Risikominderung insbesondere mit einem Abbau notleidender Kredite, einer Verbesserung des Bankeninsolvenzregimes und einer strengeren regulatorischen Behandlung von Staatsanleihen in Bankbilanzen zu verbinden.