05.06.19

PRESSEINFORMATION 48/2019

Italien: Sanktionen überfällig

Die EU-Kommission hat heute die Eröffnung eines Defizitverfahren gegen Italien vorgeschlagen. Grund ist der anhaltende Anstieg der italienischen Staatsverschuldung. Die Entscheidung kommentiert Alessandro Gasparotti von cep in Freiburg.

"Sanktionen im Rahmen eines Defizitverfahrens sind höchst unwahrscheinlich. Daher kann wirksamer Druck auf die italienische Regierung nur vom Kapitalmarkt ausgehen", so Alessandro Gasparotti.

Die EU-Kommission hat festgestellt, dass Italien die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Verringerung der Staatsverschuldung nicht erfüllt hat. Sie schlägt daher die Eröffnung eines Defizitverfahrens gegen Italien vor.

Die endgültige Entscheidung darüber, ob ein Defizitverfahren eingeleitet wird, obliegt aber den EU-Finanzministern; zunächst auf technischer Ebene und dann auf politischer Ebene (möglicherweise bereits am 9. Juli), wenn die Finanzminister zum Ecofin-Rat zusammenkommen.

Im Dezember letzten Jahres, nach einer beispiellosen Konfrontation mit der neu-gebildeten italienischen Regierung über den Haushalt 2019, beschloss die EU-Kommission, auf die Eröffnung eines Defizitverfahrens gegen Italien zu verzichten, unter der Bedingung, dass die italienische Regierung den Schuldenstand in diesem Jahr senkt und das strukturelle Defizit auf dem Niveau von 2018 stabil hält.

Der Schuldenstand Italiens ist jedoch gestiegen: Er stieg von 131,4% des BIP im Jahr 2017 auf 132,2% im Jahr 2018 und wird nach den Prognosen der Kommission in diesem Jahr auf 133,7% und 2020 auf 135,2% steigen. Eigentlich sieht der der Stabilitäts- und Wachstumspakt für Mitgliedstaaten mit einer Staatsverschuldung von mehr als 60 % des BIP vor, dass die Staatsverschuldung im Jahresdurchschnitt um 1/20 der Differenz zwischen der tatsächlichen Verschuldung und der 60 %-Schwelle gesenkt wird. Bisher hat die EU-Kommission noch nie die Einleitung eines Defizitverfahren vorgeschlagen, wenn ein Mitgliedstaat dieses Ziel verfehlt hat.

Wenn ein Mitgliedstaat dieses Ziel wiederholt verfehlt, kann eine Geldbuße von bis zu 0,2% des BIP verhängt werden. Im Fall von Italien wären dies rund 3,5 Milliarden Euro. Zudem können Gelder aus den EU-Kohäsionsfonds einbehalten werden.

Sanktionen gegen Italien sind jedoch sehr unwahrscheinlich. Die Kommission hat sich bisher gegen Sanktionen ausgesprochen, weil sie Sanktionen als ein Scheitern der bestehenden wirtschaftspolitischen Koordinierungsmechanismen ansieht.

Die politische Instabilität innerhalb der italienischen Regierung und die schwache Wirtschaftsleistung fordern bereits ihren Tribut an den Kapitalmärkten: Italienische 5-jährige Staatsanleihen wurden letzte Woche mit einer höheren Rendite gehandelt als entsprechende griechische Anleihen.

Angesichts der mangelnden Bereitschaft der EU-Kommission, die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts mit Sanktionen durchzusetzen, kann ein wirksamer Druck auf die italienische Regierung nur von den Kapitalmärkten kommen. Diese könnten die Einleitung eines Defizitverfahren als Anlass nutzen, um höhere Zinsen für Kredite an Italien zu verlangen, und so auf eine Anpassung des italienischen Haushalts einwirken.