11.07.23

Presseinformation 47/2023

cep-Studie: Der Bundestag blendet die Zukunft aus

Berlin/Freiburg. Banken, Euro, Corona, Ukraine, Inflation: Polykrisen halten die Bundespolitik in Atem. Die Gestaltung der Zukunft kommt darüber oft zu kurz. Eine Studie des Centrums für Europäische Politik (cep) belegt erstmals empirisch, was bislang nur ein vages Gefühl war: Im Bundestag spielen Zukunftsthemen kaum noch eine Rolle.

„Der gemessene Rückgang des Zukunftshorizonts steht sinnbildlich für einen Politikdiskurs, der sich eher mit Krisenbewältigung und Schuldzuweisungen beschäftigt als mit zukunftsrelevanten Themen“, sagt cep-Digitalexperte Anselm Küsters, der die Studie auf Anregung und mit Unterstützung der Zukunft-Fabrik.2050 erstellt hat. Küsters wertete sämtliche Bundestagsreden zwischen 1949 und 2021 mithilfe computerlinguistischer Methoden und Algorithmen aus.

Der neu entwickelte Zukunftsindex zählt gängige Schlüsselwörter, die Abgeordnete beim Sprechen über die Zukunft verwenden, und berechnet den Zeithorizont der Reden auf Basis aller enthaltenen Jahresangaben. Das Ergebnis ist eindeutig: Während in den Jahren des Wirtschaftswunders Zukunftsthemen Konjunktur hatten, verlieren sie seit Beginn der Finanzkrise 2007 kontinuierlich an Bedeutung. Auch der Zeithorizont, über den gesprochen wird, rückt immer näher an die Gegenwart heran.

„Obwohl wir uns in einer disruptiven Zeitenwende befinden, die es aktiv zu gestalten gilt, gibt es eine Kluft zwischen der theoretischen Bedeutung des Zukunftsdiskurses und seiner tatsächlichen Rolle im politischen Tagesgeschäft. Das belegt die Studie eindeutig anhand von Daten“, betont der cep-Experte. Küsters fordert die Bundestagsabgeordneten auf, sich wieder stärker der Zukunft zuzuwenden. Ein intensiver Diskurs über die Gestaltung der Zukunft könne den Handlungsraum erweitern und die Menschen bei der notwendigen Transformation in eine nachhaltige und digitalisierte Gesellschaft besser mitnehmen.