27.11.17

PRESSEINFORMATION 103/2017

Die EU wird peu à peu demokratischer

Der Konvent für Deutschland e.V. und das cep legen den 2. Indikator zu EU-Gesetzgebung, Subsidiarität und demokratischer Kontrolle vor.

Die EU ist in den vergangenen Jahren nur etwas demokratischer geworden. Die nationalen Parlamente nutzen verstärkt ihre Mitsprachemöglichkeiten bei europäischen Gesetzesvorhaben. Zu diesem Schluss kommt das cep in einer Studie für den Konvent für Deutschland e.V.

Mit Hilfe eines EU-Indikators wurde dazu anhand von fünf Faktoren ein Stimmungsbild der EU-Gesetzgebung, der Subsidiarität und der Kontrolle des europapolitischen Handelns durch nationale Parlamente ermittelt. Bei Faktor 1, der EU-Regulierung durch Richtlinien und Verordnungen, ließ sich feststellen, dass unter EU-Kommissionspräsident Juncker die Regulierungsintensität der EU deutlich abgenommen hat. Dieser Trend war schon Anfang 2016 bei der Vorstellung des 1. EU-Indikators „Subsidiarität und Regulierung“ absehbar, hat sich nun aber bestätigt: Seit 2015 ist das Ausmaß der EU-Regulierung etwa 30 Prozent geringer als im langjährigen Mittel. Allerdings lässt sich wie schon vor 22 Monaten feststellen, dass die EU zunehmend von direkt anwendbaren Verordnungen Gebrauch macht, so dass deren Anteil kontinuierlich auf zuletzt 73 Prozent anstieg.

Auch die bereits im 1. EU-Indikator festgestellte Relevanz der nachgelagerten EU-Regulierung (Faktor 2) ist unverändert hoch. Sie ist seit 2012 mindestens so umfangreich wie die EU-Gesetzgebung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, im Jahr 2017 bisher sogar mehr als sechsmal so umfangreich. Für Bert Van Roosebeke, Autor der Studie vom cep, ist die sehr technische Finanzmarktregulierung Treiber dieser Entwicklung. Für ihn ist zwar nachvollziehbar, dass die Gesetzgeber für hochregulierte, technische Branchen verstärkt zum Instrument der nachgelagerten Regulierung greifen. Allerdings, so Van Roosebeke, „sollten Europäisches Parlament und Ministerrat ihre Kontrollfunktion der EU-Kommission gegenüber wahrnehmen. Zumindest im Bereich der Finanzmarktregulierung besteht hier Verbesserungspotential“.

Nach zuletzt rügeschwachen Jahren haben die nationalen Parlamente der EU – auch der Bundestag – die Subsidiaritätsrüge (Faktor 3) in den Jahren 2016 und 2017 stärker genutzt. Dennoch regen cep und der Konvent für Deutschland e.V. hier einige Änderungen an. „Sinnvoll wäre es, wenn die Bundestagsausschüsse sich jährlich auf europapolitische Schwerpunkte einigen würden“, so Van Roosebeke. „So könnten sie die Subsidiarität einfacher ex-ante wie auch ex-post verfolgen“. Auch plädiert das Gutachten für die Etablierung von EU-Unterausschüssen in den jeweiligen Fachausschüssen des Parlaments.

Beim Faktor 4, den Stellungnahmen nationaler Parlamente im „politischen Dialog“, lässt sich die deutsche Teilnahme am politischen Dialog mit der EU-Kommission im EU-Vergleich als überdurchschnittlich beschreiben. Dies geht vor allem auf die hohe Aktivität des Bundesrates zurück. Seine regelmäßigen Stellungnahmen zeugen nach Ansicht des cep von einer detaillierten Beschäftigung mit den Kommissionsvorschlägen. Auch enthalten sie in der Regel präzise Forderungen an die Bundesregierung.

Die Bereitschaft des Deutschen Bundestages, europapolitische Stellungnahmen (Faktor 5) nach Art. 23 Abs. 3 GG an die Bundesregierung zu richten, hat sich seit dem 1. EU-Indikator nicht wesentlich geändert. „Die geringe Zahl der Stellungnahmen hat koalitionspolitische Gründe“, so Van Roosebeke. „Daran wird sich auch künftig wenig ändern“. Weil das Ausmaß der europapolitischen Tätigkeit der Bundestagsausschüsse wesentlich vom individuellen Engagement und den branchenspezifischen Fachkenntnissen einzelner Abgeordneter abhängt, plädiert er für die Einrichtung von EU-Unterausschüssen in den jeweiligen Fachausschüssen, ergänzt um eine jährliche Festlegung europapolitischer Schwerpunktdossiers und eine darauf zugeschnittene Informationsbeschaffung. Dies könne dazu beitragen, die europapolitische Schlagkraft des Bundestages zu steigern.

cepStudie EU-Indikator – EU-Gesetzgebung, Subsidiarität und demokratische Kontrolle