10.12.21

Scholz bei Macron: Streit um europäische Klima- und Energiepolitik

Gleich beim Antrittsbesuch des frischgewählten Bundeskanzlers Olaf Scholz bei Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron dürften auch einige Streitpunkte zwischen Berlin und Paris zur europäischen Klima- und Energiepolitik angesprochen worden sein: Während eine Zustimmung einer deutschen Bundesregierung mit grüner Beteiligung zur Einstufung von Atomkraft als „nachhaltig“ im Sinne der EU-Taxonomie (s. cepInput 14/2021) unwahrscheinlich ist und noch viel Gesprächsbedarf zur Einführung eines EU-Emissionshandels für Straßenverkehr und Gebäude (s. cepAnalyse 09/2020) besteht, sind Kompromisse zu dem von Macron nachdrücklich geforderten CO2-Grenzausgleich und dem von Scholz vorgeschlagenen internationalen Klimaclub (s. cepStudie v. 17. 11.2021) denkbar.

Bereits seit langem fordert Frankreich, bestimmte Importe in die EU aus Drittstaaten mit laxen Klimaschutzvorgaben um einen CO2-Grenzausgleich CBAM zu verteuern, um im EU-Binnenmarkt gleiche Wettbewerbsbedingung mit Produkten zu schaffen, die in der EU mit höheren Klimaschutzkosten hergestellt werden. Zwar unterstützen die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag grundsätzlich „die Einführung eines europaweit wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus oder“ – und diese Alternative ist vielsagend – „vergleichbar wirksame Instrumente“. Allerdings müsste ein solcher CBAM zahlreiche Anforderungen erfüllen, denn für die Bundesregierung ist „entscheidend“, dass er „WTO konform ausgestaltet ist, die Exportindustrie nicht benachteiligt, Greenwashing verhindert und unbürokratisch innerhalb des bestehenden Emissionshandelssystems umgesetzt wird“. Jede dieser Bedingungen ist bereits für sich genommen eine Herausforderung (s. cepStudie v. 13.07.2021). In Kombination sind sie jedoch kaum erfüllbar – und das weiß auch die Bundesregierung. Daher hat sich auch bereits der neue Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold gegen die einseitige Einführung eines CO2-Grenzausgleichs in der Form ausgesprochen, wie er von der EU-Kommission auf Drängen Frankreichs im Juli 2021 vorgeschlagen wurde. Denn der vorgeschlagene CBAM würde eben nicht die EU-Exportindustrie schützen, so dass die Verlagerung von Produktion aus der EU und damit insgesamt ein klimaschädlicher Anstieg der CO2-Emissionen („Carbon Leakage“) droht.

Stattdessen fordert Giegold ausdrücklich die Bildung eines internationalen Klimaclubs, wie ihn schon die alte Bundesregierung in einem ihrer letzten Kabinettsbeschlüsse maßgeblich auf Initiative des damaligen Bundesfinanzministers Olaf Scholz vorgeschlagen hat und wie er auch im Koalitionsvertrag verabredet wurde. In einem solchen Klimaclub könnte sich die EU insbesondere mit anderen wichtigen Industriestaaten wie den USA und Japan auf einen einheitlichen CO2-Mindestpreis einigen, um so innerhalb des Klimaclubs klimaschutzbedingte Wettbewerbsverzerrungen abzubauen und Carbon Leakage zu verhindern. Um ein entsprechendes „level playing field“ auch im Verhältnis zu Nicht-Clubmitgliedern mit laxeren Klimaschutzvorgaben zu erreichen, bringt die Bundesregierung wiederum einen „gemeinsamen CO2-Grenzausgleich“ im Rahmen des Klimaclubs ins Spiel – und folglich bietet der von Berlin favorisierte Klimaclub Raum für Kompromisse mit Frankreich. Neben den damit verbundenen Chancen für die europäische Klima- und Energiepolitik sind bei der Bildung eines solchen Klimaclubs allerdings auch zahlreiche Fallstricke zu beachten (s. cepStudie v. 17.11.2021).

Dr. Götz Reichert, LL.M.
 cep-Fachbereichsleiter Energie | Umwelt | Klima | Verkehr