15.02.17

Indirektes Carbon-Leakage vermeiden!

Das Europäische Parlament hat über die Reform des europäischen Emissionshandels abgestimmt. Dabei kommt ein wesentliches Element der Reform deutlich zu kurz: Der Schutz vor „indirektem Carbon-Leakage“.

Die politische Auseinandersetzung über die Reform des EU-Emissionshandels (ETS) befindet sich in ihrer heißen Phase. Das Europäische Parlament (EP) folgte bei seiner Plenumsabstimmung am 15. Februar weitgehend dem Bericht seines Umweltausschusses (ENVI), den dieser im Dezember 2016 vorgelegt hatte. Die offensichtlichste Abweichung ist, dass der jährliche lineare Reduktionsfaktor für die Absenkung der Gesamtmenge an Emissionszertifikaten nun doch – wie bereits im Kommissionsvorschlag vorgesehen – nur 2,2% statt 2,4% betragen soll.

Vollkommen überein stimmen EP-Plenum und ENVI darin, dass der Schutz vor „indirektem Carbon-Leakage“ abgeschwächt werden soll. Carbon-Leakage bezeichnet die Verlagerung treibhausgasintensiver Industrieproduktion aus der EU in Drittstaaten aufgrund von Kosten, die durch das ETS entstehen. „Indirektes Carbon-Leakage“ entsteht, wenn der Strompreis durch das ETS steigt und dadurch stromintensive Industrieproduktion aus der EU abwandert.

Bislang können die EU-Mitgliedstaaten den von indirekten Carbon-Leakage betroffenen Unternehmen einen Teil ihrer Mehrkosten in Form einer Strompreiskompensation erstatten. Das EP will diese nun weitgehend durch einen deutlich abgeschwächten europäischen Mechanismus ersetzen. Die Mitgliedstaaten sollen darüber hinaus ihren Industrieunternehmen nur noch in sehr begrenztem Umfang Strompreiskompensationen gewähren dürfen und müssen diese zudem bis 2030 weiter kontinuierlich absenken.

Es ist unverständlich, warum indirektes Carbon-Leakage in der politischen Auseinandersetzung um die Reform des ETS so wenig Beachtung findet und Strompreiskompensationen noch weiter eingeschränkt werden sollen. Das EU-Beihilferecht verhindert bereits heute, dass Industrieunternehmen Strompreiskompensationen über das notwendige Maß hinaus erhalten können. So dürfen derzeit maximal 80% der Strommehrkosten durch die Mitgliedstaaten kompensiert werden. Auch besteht keine Notwendigkeit, statt der bisherigen Regelungen einen europäischen Mechanismus einzuführen. Denn jeder Mitgliedstaat kann ja bereits heute einen Teil seiner Einnahmen aus der Auktion der Zertifikate für die Strompreiskompensation verwenden. Dies ist sachgerecht, denn ein erheblicher Teil dieser Auktionseinnahmen stammt von konventionellen Stromerzeugern, die infolge dieser Auktionsausgaben ihre Strompreise und damit die Gefahr von indirektem Carbon-Leakage erhöht haben. Mit der Strompreiskompensation geben die Mitgliedstaaten also den Industrieunternehmen nur das direkt zurück, was sie ihnen zuvor indirekt genommen haben.

Es ist es daher wichtig, dass auch nach 2020 ermöglichen im internationalen Wettbewerb stehende Industrieunternehmen für ETS-bedingte Strompreissteigerungen von den Mitgliedstaaten umfassend entschädigt werden können. Nur so kann gewährleistet werden, dass neben der CO2- auch die stromintensive Produktion nicht aus der EU in Drittstaaten verlagert wird.

Dr. Moritz Bonn, bonn(at)cep.eu