18.07.23

Presseinformation 49/2023

cep-Studie: EU zwischen Souveränität und Erpressbarkeit

Berlin/Freiburg. Polen und Ungarn missbrauchen zunehmend das Einstimmigkeitsprinzip der EU, um Entscheidungen zu blockieren und eigene Interessen durchzusetzen. Sie untergraben mit Angriffen auf die Rechtstaatlichkeit europäische Werte und letztlich die Souveränität der EU. Gegenmittel sind kaum in Sicht. Ein Ausschluss aus der EU ist ebenso schwer umsetzbar wie eine "EU 2.0", wie eine Studie des Centrums für Europäische Politik (cep) belegt.

"Es ist fraglich, ob ein Ausschluss aus der EU rechtlich umsetzbar ist", sagt cep-Jurist Lukas Harta, der mögliche Szenarien mit den cep-Experten Matthias Kullas, Patrick Stockebrandt, Henning Vöpel und André Wolf einem Realitätscheck unterzogen hat. Ein solcher ist demnach im Extremfall auf Grundlage des Völkerrechtsgewohnheitsrechts nach Art. 60 der Wiener Vertragsrechtskonvention möglich. "Voraussetzung: Ein Mitgliedstaat wendet sich von der Demokratie ab oder bricht beharrlich EU-Recht", erklärt Harta. Vorher müssten alle verfügbaren Mittel ausgeschöpft sein - darunter das Verfahren nach Art. 7 EUV. "Da Polen und Ungarn sich gegenseitig schützen und verhindern, dass die Verfahren gegen sie abgeschlossen werden, ist dieser Schritt gegenwärtig schwierig", sagt cep-Jurist Harta. Die cep-Experten warnen einhellig ebenso vor einem solchen Schritt wie vor einem Quasi-Ausschluss von "problematischen" Mitgliedstaaten durch Gründung einer "EU 2.0". "Sämtliche Abkommen, auch Freihandelsabkommen, der EU müssten neu verhandelt werden, denn die EU 2.0 wäre nicht Rechtsnachfolgerin der EU. Realpolitisch ist dieser Schritt daher nicht machbar", sagt cep-Ökonom Matthias Kullas.

cep-Vorstand Henning Vöpel sieht für die EU einen schwierigen Spagat, warnt aber vor voreiligen Maßnahmen: "Gemeinsame Positionen immer wieder zu verhandeln, sichert den politischen Zusammenhalt der EU. Es gibt jedoch eine natürliche Grenze, nämlich dort, wo die institutionellen Verfahren systematisch in Konflikt zur politischen Souveränität geraten."