22.12.23

Vorab-Genehmigungszwang der UEFA und FIFA für Drittfußballwettbewerbe wie die „European Super League“ verstößt gegen das EU-Wettbewerbsrecht und die EU-Grundfreiheiten

Der Gerichtshof (EuGH) hat am 21.12.2023 in der Rechtssache C-333/21 Öffnet externen Link in neuem Fensterentschieden, dass die Regeln der FIFA und der UEFA, welche die Einführung neuer internationaler Fußballwettbewerbe in der EU – wie eine neue „European Super League“ – von ihrer vorherigen Genehmigung abhängig machen und Vereinen und Spielern die Teilnahme an ungenehmigten Wettbewerben verbieten, gegen das EU-Wettbewerbsrecht und den freien Dienstleistungsverkehr in der EU verstoßen und damit rechtswidrig sind. Auf Basis dieser Regeln in ihren Statuten hatten die UEFA und die FIFA im Jahr 2020 die Genehmigung einer neuen European Super League verweigert. 

Der EuGH begründet seine Entscheidung damit, dass es keinen Rahmen gebe, der sicherstelle, dass die FIFA- und UEFA-Regeln – insbesondere über die vorherige Genehmigung, die Beteiligung und die Sanktionen – transparent, objektiv, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig seien.

Gleiches gilt laut dem EuGH für die Regeln, die der FIFA und der UEFA die ausschließliche Kontrolle über die kommerzielle Verwertung der mit den Wettbewerben verbundenen Rechte verleihen. Auch diese beschränken aufgrund ihrer Bedeutung für die Medien, Verbraucher und Fernsehzuschauer in der EU den Wettbewerb.

Das Urteil betrifft alle Verbände, die eine Doppelrolle als Regulierer und Wirtschaftsteilnehmer innehaben, weil sie – wie die FIFA und die UEFA – für den Fußball auf weltweiter und europäischer Ebene verantwortlich sind und zugleich parallel selbst verschiedene mit der Organisation verbundene wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben.

 

Seltene Abweichung von der Einschätzung des EU-Generalanwalts

 

Laut cep-Expertin Anja Hoffmann kam das Urteil in dieser Form überraschend, denn der EU-Generalanwalt hatte am 15. Dezember 2022 in seinen Schlussanträgen – unter Berufung auf das Europäische Sportmodell – gerade den Regeln der UEFA und insbesondere der verpflichtenden Vorabgenehmigung neuer Wettbewerbe den Rücken gestärkt. Weil die UEFA und die FIFA mit den Besonderheiten des europäischen Sports verknüpfte legitime Ziele verfolgten, hielt er die Wettbewerbsbeschränkung durch die Vorabgenehmigung nebst Sanktionen der UEFA noch grundsätzlich für „gerechtfertigt“ und mit dem EU-Recht vereinbar. In der Regel folgt der EuGH der Einschätzung des Generalanwalts. Nicht so im vorliegenden Fall. „Anders als der Generalanwalt hat der EuGH die Legitimität der Ziele der UEFA und der FIFA gar nicht im Detail geprüft und die Besonderheiten des „europäischen Fußballmodells“ nicht auf den Fall angewandt“, so Hoffmann. Zwar hält auch der Gerichtshof es angesichts der spezifischen Merkmale, die den Profifußball auszeichnen, grundsätzlich für durchaus legitim, die Ausübung von Fußballwettbewerben gemeinsamen Regeln und einer Vorabgenehmigung zu unterwerfen und diese Regeln auch mit Hilfe von Sanktionen durchzusetzen, um die Homogenität und Koordination dieser Wettbewerbe und Chancengleichheit und das Leistungsprinzip zu gewährleisten. Aber so legitim diese Ziele auch seien, könnten solche Regeln dennoch insgesamt gesehen deshalb nicht als legitim erachtet werden, weil es keinen Rahmen für materielle Kriterien und detaillierte Verfahrensregeln gebe, der sicherstelle, dass diese Regeln transparent, objektiv, präzise und nichtdiskriminierend seien. „Der Gerichtshof hat klargestellt, dass auch die legitimsten Ziele nicht weiterhelfen, wenn eine Wettbewerbsbeschränkung droht und es an einem verhältnismäßigen Rahmen für die Anwendung dieser an sich legitimen Regeln fehlt“, so Hoffmann. Der Generalanwalt hatte demgegenüber befunden, dass das spanische Gericht im konkreten Fall die Verhältnismäßigkeit der Regeln der UEFA/FIFA und insbesondere die Frage prüfen müsse, ob das Ermessen der UEFA begrenzt, die Bedingungen für Marktzugang klar festgelegt, die Teilnahmebedingungen und Sanktionen klar und vorhersehbar und ablehnende Entscheidungen anfechtbar seien.

 

Mit diesem pauschalen Verweis auf das Fehlen eines die Regeln der UEFA bzw. FIFA begrenzenden Rahmens hat der EuGH letztlich eine „Rechtfertigung“ aller in Betracht kommenden EU-Rechtsverstöße abgelehnt – und folglich einen Verstoß gegen das Kartellverbot des Art. 101 AEUV, das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 Abs. 1 AEUV und gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit bejaht.

 

Die FIFA und die UEFA organisieren und vermarkten in der EU internationale Fußballwettbewerbe wie die UEFA Champions League, die UEFA Europa League und die UEFA Conference League und sind aufgrund dieser wirtschaftlichen Tätigkeit laut dem EuGH als Unternehmen anzusehen. Sie haben auf dem relevanten Markt, der zum einen die Organisation und Vermarktung internationaler Vereinsfußballwettbewerbe im Gebiet der EU und zum anderen die Verwertung der verschiedenen mit diesen Wettbewerben verbundenen Rechte betrifft, eine beherrschende Stellung oder, was der EuGH offen lässt, sogar ein Monopol inne. Wenn derart marktbeherrschende Unternehmen aber zugleich befugt seien, die Bedingungen für den Marktzugang potenziell konkurrierender Unternehmen wie etwa der European Super League Company zu bestimmen – wie es die Statuten der FIFA und der UEFA durch ihre Regelungen über die vorherige Genehmigung, die Beteiligung und die Sanktionen vorsehen – berge dies eine große Gefahr von Interessenkonflikten. Daher müssten die Regeln und ihre Anwendung laut dem EuGH Kriterien unterliegen, die geeignet seien, ihre Transparenz, Objektivität, nichtdiskriminierende Anwendung und Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten. Für die Befugnisse der FIFA und der UEFA gälten jedoch, wie der EuGH feststellt, keine solchen Kriterien. Der EuGH ist daher der Auffassung, dass die FIFA und die UEFA daher – unabhängig vom konkreten Fall der European Super League – durch den Erlass und die Anwendung von Vorschriften über die vorherige Genehmigung, die Beteiligung und die Sanktionen ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbrauchen.

 

Gleichermaßen hat der Gerichtshof einen Verstoß gegen das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV bejaht. Mangels eines Rahmens, der solche materiellen Kriterien oder detaillierten Verfahrensregeln vorsehe, seien die fraglichen Regeln geeignet, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, weshalb davon auszugehen sei, dass sie dessen Verhinderung zum Ziel haben. Die Regeln fielen daher unter das Verbot des Artikels 101 Absatz 1 AEUV, ohne dass ihre tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen geprüft werden müssten.

 

Darüber hinaus verstoßen die Genehmigungs-, Kontroll- und Sanktionsvorschriften laut dem EuGH auch gegen den freien Dienstleistungsverkehr, da die mit ihnen verbundenen Beschränkungen willkürlich und somit ungerechtfertigt sind. Auch hier bringt der EuGH wieder das gleiche Argument: weil die Regeln der FIFA und der UEFA nicht durch materielle Kriterien und Verfahrensmodalitäten eingegrenzt seien, die geeignet sind, ihren transparenten, objektiven, nicht diskriminierenden und verhältnismäßigen Charakter zu gewährleisten, könnten die FIFA und der UEFA nach eigenem Ermessen und auf der Basis von ihnen selbst aufgestellter Kriterien kontrollieren, ob dritte Wettbewerber Zugang zum Markt erhalten, welche Möglichkeiten Berufsfußballvereine haben, an diesen Wettbewerben teilzunehmen, sowie indirekt welche Möglichkeiten andere Unternehmen haben, Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Organisation oder der Vermarktung dieser Wettbewerbe zu erbringen.

 

 

Zukunft des europäischen Fußballs bleibt dennoch offen

 

Über die endgültige Zulässigkeit der European Super League hat der EuGH in seinem Urteil aber noch nicht entschieden. Die Super League muss laut dem EuGH nicht notwendigerweise genehmigt werden. Was genau in Zukunft passieren wird, ist daher trotz des Urteils offen. Ein neuer Anlauf für eine Super League und damit eine weitere Kommerzialisierung des Europäischen Fußballs erscheinen nach dem Urteil nun möglich. „Andererseits ermöglicht das Urteil auch die Gründung mehrerer übereinander gestaffelter europäischer Ligen, bei denen deutlich mehr europäische Clubs teilhaben könnten. Und dies wäre durchaus im Sinne des in den EU-Verträgen anerkannten „europäischen Sportmodells“, so Hoffmann. Ob es auch im Sinne der Fans ist und welche Vereine weiterhin mitziehen, wird die Zukunft zeigen. Zudem könnte sich die Rechtslage ändern, sollte die UEFA transparente und verhältnismäßige Verfahrensregeln für ihre Genehmigungen einführen.

 

Dr. Anja Hoffmann, LL.M. Eur, cep-Expertin für Binnenmarkt und Wettbewerb