23.12.15

Die mildere Maßnahme

Statt Mindestpreise vorzuschreiben sollten die Mitgliedstaaten nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs die Steuern erhöhen, um den Alkoholkonsum zu verringern

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat an diesem Mittwoch entschieden, dass das schottische Gesetz zur Einführung von Mindestpreisen für alkoholische Getränke gegen EU-Recht verstößt, sofern steuerliche Maßnahmen erlassen werden könnten, die den Handel mit Waren weniger einschränken (C-333/14).

Das schottische Parlament hatte 2012 ein Gesetz erlassen, wonach in Schottland für den Verkauf alkoholischer Getränke im Einzelhandel ein Mindestpreis gilt, der vom Alkoholgehalt des jeweiligen Produkts abhängig ist. Durch diese Maßnahme sollte der Alkoholkonsum von Personen mit einem „gefährlichen oder schädigenden Trinkverhalten“ und der Bevölkerung allgemein reduziert werden.

Entsprechend seiner bisherigen „Dassonville“-Rechtsprechung stellt der EuGH fest, dass das schottische Mindestpreisgesetz geeignet ist, den freien Warenverkehr innerhalb der EU zu beeinträchtigen. Dass das Gesetz nur für Schottland und damit nur für den Teil eines Mitgliedstaates gilt, ist irrelevant. Der EuGH hatte schon früher entschieden, dass die Warenverkehrsfreiheit nicht nur an den Grenzen der Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen den Regionen eines Mitgliedstaates gilt.

Der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen die Frage aufgeworfen, ob das Mindestpreisgesetz eine Verkaufsmodalität im Sinne der „Keck“-Rechtsprechung und daher ausnahmsweise nicht als Hindernis für den Warenverkehr einzuordnen sei. Im Ergebnis hatte er dies allerdings abgelehnt. Der EuGH geht in seiner Entscheidung auf diesen Aspekt des Falles nicht ein und bestätigt damit indirekt die Ansicht des Generalanwalts.

Im Wesentlichen setzt sich der EuGH mit der Frage auseinander, ob die Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit durch das Mindestpreisgesetz mit dem beabsichtigten Schutz der Gesundheit gerechtfertigt werden kann. Grundsätzlich sei das Mindestpreisgesetz geeignet, den Alkoholkonsum im Allgemeinen und den schädlichen Konsum im Besonderen zu vermindern und damit zum Schutz der Gesundheit beizutragen. Allerdings sei es möglich, dass das gleiche Ziel ebenso effektiv durch eine Erhöhung der Alkoholsteuern erreicht werde. Zudem sei eine Erhöhung der Steuern eine mildere Maßnahme als das Mindestpreisgesetz, weil sie den Wirtschaftsteilnehmern die Freiheit belasse, die Verkaufspreise selbst festzulegen.

Mit dieser Entscheidung stellt der EuGH klar, dass Mindestpreise für Alkohol wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit nur ausnahmsweise rechtmäßig sind. Die Mitgliedstaaten müssen beweisen, dass der Alkoholkonsum nicht in gleicher Weise durch eine Erhöhung der Steuern verringert werden kann. Ob das schottische Mindestpreisgesetz mit diesen Maßstäben zu vereinbaren ist, muss nun das Gericht entscheiden, das den Fall dem EuGH vorgelegt hatte.

Hinsichtlich der unterschiedlichen Wirkung von Steuern und Mindestpreisen lesen Sie auch unseren cepInput zur europäischen Alkoholstrategie 2016-2022.

Urs Pötzsch, Fachbereich Arbeit und Soziales, poetzsch(at)cep.eu