11.03.15

Unternehmerisches Scheitern und Unternehmensinsolvenzen

Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Umgangs mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen hat die EU-Kommission eine Empfehlung dazu erlassen, die die Mitgliedstaaten bis zum 14. März umsetzen sollen

Unternehmerisches Engagement ist eine wesentliche Voraussetzung für die dynamische Entwicklung in einer Volkswirtschaft. Unternehmerisches Scheitern und Unternehmensinsolvenzen sind zentraler Bestandteil des unternehmerischen Engagements.

Ein scheiterndes Unternehmen kann dabei durchaus auch positive Impulse setzen. So können andere Unternehmen, Investoren oder Mitarbeiter Lehren aus dem Scheitern eines Unternehmens ziehen und diese zukünftig in ihre Entscheidungen einfließen lassen. Zudem ist der Umgang mit scheiternden Unternehmen für potentielle Gründer von Bedeutung, da gerade junge Unternehmen besonders oft scheitern.

Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Umgangs mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen hat die EU-Kommission eine Empfehlung dazu erlassen, die die Mitgliedstaaten bis zum 14. März umsetzen sollen.

Die in der Empfehlung enthaltenen Grundsätze verfolgen drei Ziele: Erstens sollen die unterschiedlichen nationalen Insolvenzrechtsvorschriften teils angeglichen werden. Zweitens soll in allen Mitgliedstaaten ein Rechtsrahmen bestehen, nach dem wirtschaftlich bestandsfähige Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, präventiv restrukturiert und so vor einer Insolvenz bewahrt werden können. Drittens sollen redlich gescheiterte Unternehmer eine zweite Chance erhalten.

Diese drei Ziele werden durch ein Bündel von Maßnahmen verfolgt. So soll es für den Schuldner im Rahmen einer Restrukturierung möglich sein, bei einem Gericht die zeitweise (maximal zwölf Monate) Aussetzung einzelner Maßnahmen zu beantragen, mit denen Gläubiger ihre Ansprüche gegen den Schuldner durchsetzen wollen. Das soll die Erfolgsaussichten einer Restrukturierung erhöhen, da Vermögenswerte im Unternehmen verbleiben. Dass dabei die Interessen einzelner Gläubiger übergangen werden ist vertretbar, da Gläubiger einem Restrukturierungsplan mehrheitlich ex ante zustimmen müssen. Das Gesamtinteresse wird so vor Einzelinteressen gestellt.

Diese Maßnahme sorgt für einen Rechtsrahmen, der auf den Erhalt von Unternehmen und damit Arbeitsplätzen und Kapitalanlagemöglichkeiten abzielt. Das hält den Wettbewerbsdruck im Markt aufrecht, was Innovation und Wirtschaftswachstum gewährleistet. Der Wohlstand der Mitgliedstaaten vergrößert sich.

Als weitere Maßnahme empfiehlt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten, dass Gerichte die Möglichkeit bekommen sollen, Restrukturierungspläne abzulehnen, wenn diese die Insolvenz des Schuldners eindeutig nicht abwenden und den Bestand des Unternehmens sichern, z.B. weil keine neuen Finanzierungsmöglichkeiten – wie Darlehen oder Veräußerungen bestimmter Vermögenswerte – vorgesehen sind.

Es ist jedoch zweifelhaft, ob Gerichte über ausreichend betriebswirtschaftliche Erfahrung verfügen, um einen Restrukturierungsplan angemessen beurteilen zu können. Hier erscheint eine obligatorische Konsultation von Sachverständigen sinnvoller, bevor ein Restrukturierungsplan abgelehnt werden darf.

Redlich gescheiterte Unternehmer sollen laut Kommission eine zweite Chance erhalten. Spätestens nach drei Jahren sollen sie von den Schulden, die im Rahmen einer Insolvenz entstanden sind, entlastet werden, ggf. über einen Schuldenerlass. Strengere Vorschriften sind in den Mitgliedstaaten möglich.

Eine zweite Chance für redlich gescheiterte Unternehmer ist zu befürworten, da sie die unternehmerische Initiative stärken und sich positiv auf die Volkswirtschaft auswirken kann: Nutzen gescheiterte Unternehmer ihre Erfahrungen aus dem Fehlschlag für Unternehmensneugründungen, vergrößert sich die Zahl der Unternehmen. Eine größere Zahl an Unternehmen intensiviert den Wettbewerb und stärkt Innovationen. Dies schafft Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Zudem können – wie eingangs beschrieben – andere Wirtschaftsakteure durch ein Scheitern wichtige Informationen erhalten.

Allerdings müssen auch die Interessen der Kapitalgeber berücksichtigt werden, da diese sonst nicht bereit sind, Unternehmen zu finanzieren. Eine lange Haftung verringert nämlich einerseits das Engagement des Unternehmers, während sie andererseits disziplinierend wirkt und so einen besseren Gläubigerschutz bietet. Ein Zeitraum von drei Jahren wahrt die Interessen des Unternehmers und der Gläubiger in angemessener Weise.

Fazit: Die von der Kommission vorgestellten Grundsätze und Maßnahmen sind für die Mitgliedstaaten zwar unverbindlich, gehen insgesamt jedoch in die richtige Richtung.

Stephan Lammerich, Fachbereich Zivil- und Verfahrensrecht, lammerich@cep.eu