02.12.16

Pkw-Maut: Einer muss die Zeche zahlen

Nach jahrelangem Streit um die deutsche „Pkw-Maut“ haben sich Deutschland und die EU-Kommission gestern bei einem Treffen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt mit EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc auf einen Kompromiss verständigt.

Damit soll die europarechtswidrige Benachteiligung ausländischer Fahrer gegenüber deutschen Fahrzeughaltern der deutschen Mautgesetzgebung beseitigt werden:

Erstens sollen die Kurzzeitvignetten, die ausländische Autofahrer auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen benötigen, für zehn Tage, zwei Monate oder einem Jahr in fünf statt der bisher vorgesehenen drei Mautstufen angeboten werden. So soll eine Zehn-Tages-Kurzzeitvignette je nach Fahrzeugeigenschaft 2,50 €, 4 €, 8 €, 14 € oder 20 € kosten (statt 5 €, 10 € und 15 €).

Zweitens wird es keine 1:1-Kompensation zugunsten deutscher Autofahrer für die Kosten der „Infrastrukturabgabe“ durch eine gleichhohe Senkung der Kfz-Steuern geben. Stattdessen soll sich die Höhe der Kfz-Steuer nach der Umweltfreundlichkeit eines Fahrzeugs orientieren und Halter besonders umweltfreundlicher Autos der Abgasklasse Euro 6 besonders stark entlastet werden. Auf diese Weise soll sowohl eine Mehrbelastung deutscher Fahrzeughalter als auch eine europarechtswidrige Diskriminierung ausländischer Autofahrer, die die EU-Kommission moniert hatte, vermieden werden. Sie hatte deshalb im September ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Dementsprechend wollte Verkehrsminister Dobrindt bei der Pressekonferenz anlässlich der Verkündung des Kompromisses den von ihm kreierten Begriff der „Ausländermaut“ auch auf Nachfrage nicht mehr in den Mund nehmen. „Der Ball liegt nun in Alexanders Feld“, wie Bulc deutlich machte. Dobrindt muss nun die deutsche Mautgesetzgebung an die Vorgaben des Kompromisses anpassen lassen, bevor die Kommission formell das Vertragsverletzungsverfahren beenden wird.

Also außer Spesen nichts gewesen? Nein, denn es bleiben Fragezeichen:

Fraglich ist bereits, ob sich der ganze Aufwand überhaupt lohnt. Denn während des langwierigen Gerangels scheint fast in Vergessenheit geraten zu sein, dass durch die „Infrastrukturabgabe“ die Straßennutzer eigentlich ja einen Beitrag zur Finanzierung der maroden Verkehrsinfrastruktur leisten sollen. Bei einer noch stärkeren Entlastung umweltfreundlicher Fahrzeuge ohne Mehrbelastung deutscher Fahrzeughalter steht zu vermuten, dass die Maut nun noch weniger Einnahmen bringen wird, als die ohnehin bescheidenen Prognosen erwarten ließen.

Erhebliche Mehreinnahmen könnten nur von ausländischen Fahrern kommen, denn schließlich muss jemand ja die Zeche zahlen. Vor diesem Hintergrund ist durchaus fraglich, ob der mühsam gefundene Kompromiss auch einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof standhalten wird. Die Niederlande haben bereits angekündigt, gegen die neue Mautregelung zu klagen – und es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Österreich, Belgien und Dänemark einer solchen Klage anschließen werden.

Außerdem arbeitet die Europäische Kommission derzeit an Leitlinien für ein europäisches Mautsystem, die sie im Frühjahr kommenden Jahres vorstellen will. Kann gut sein, dass die deutsche Pkw-Maut dann schon wieder überarbeitet werden muss.

 Dr. Götz Reichert, reichert(at)cep.eu