14.01.15

OMT-Verfahren: EuGH-Generalanwalt folgt Karlsruhe in allen wesentlichen Punkten nicht

Urteilt der EuGH entlang der Positionen des Generalanwalts, steht das Bundesverfassungsgericht vor einem Dilemma: Soll es die eigene Position räumen oder den Großkonflikt mit den Europa-Richtern wagen?

Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) von diesem Mittwoch ist die Europäische Zentralbank (EZB) berechtigt, das OMT-Programm als geldpolitische Maßnahmen durchzuführen. Sie überschreitet damit nicht ihr Mandat. Bedingung ist, dass die EZB sich von jeder Troika-Tätigkeit fernhält. Die EZB darf, mit anderen Worten, nicht in der Troika die wirtschafts- und finanzpolitischen Auflagen mit definieren, an die sie dann das OMT-Programm knüpft.

Das ist zwar neu, dürfte aber für die Praxis weitestgehend irrelevant sein. Die EZB nämlich wird das OMT-Programm wahrscheinlich nie aktivieren, sondern stattdessen Staatsanleihen im Wege des Quantitative Easing (QE) aufkaufen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte argumentiert, dass das OMT-Programm der EZB das Verbot der monetären Staatsfinanzierung umgehe. Der Generalanwalt hat nun aber fast alle Bedenken des BVerfG beiseite gewischt. Das gilt insbesondere für die Bedenken hinsichtlich einer Teilnahme der EZB an einem möglichen Schuldenschnitt, des Ausfallrisikos durch Ankauf von Anleihen bonitätsschwacher Staaten, des Haltens von Anleihen bis zu ihrer Fälligkeit und der Gefahr, dass die EZB zum ‚lender of last resort‘ wird.

Im Ergebnis dürfte das ein Freifahrtschein für die erwarteten QE-Anleihekäufe sein. Die Frage, wie umfangreich die EZB Staatsanleihen am Sekundärmarkt kaufen darf, ohne gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung zu verstoßen, stellt sich bei OMT und QE nämlich gleichermaßen. Enttäuschend ist daher, dass der Generalanwalt sich dieser Frage einer – gegebenenfalls auch relativen – Obergrenze verschließt. Der EZB sind so kaum noch Grenzen gesetzt.

Entgegenkommen signalisiert der Generalanwalt lediglich insoweit, als Sekundärmarktkäufe von Staatsanleihen auch nach seiner Einschätzung eines gewissen zeitlichen Abstands zur Begebung am Primärmarkt bedürfen. Wie die Marktpreisbildung konkret sichergestellt wird, bleibt nach Auffassung des Generalanwalts freilich im Wesentlichen der EZB selbst überlassen.

Folgt der EuGH in seinem abschließenden Urteil dem Generalanwalt, gibt es für das BVerfG wesentlich zwei Möglichkeiten: Zum einen könnte es seinerseits dem EuGH folgen, müsste dann jedoch logischerweise die eigene Position räumen. Oder aber das BVerfG beharrt auf seiner Position – und nimmt den großen Konflikt mit dem EuGH in Kauf.

Dr. Bert Van Roosebeke, Fachbereichsleiter Finanzmärkte, vanroosebeke@cep.eu

Oliver Sauer, Fachbereichsleiter EU-Verträge und -Institutionen, sauer@cep.eu