06.12.17

PRESSESTATEMENT 106/2017

Juncker setzt auf Zuckerbrot statt Peitsche

Pressestatement zu den Plänen der EU-Kommission für eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion von den cep-Volkswirten Dr. Matthias Kullas und Dr. Bert Van Roosebeke:

Der vorgelegte Fahrplan der EU-Kommission konkretisiert die Pläne, die Kommissionspräsident Juncker in seiner Rede zur Zukunft der EU nur skizziert hatte. Zu den Vorschlägen im Einzelnen:

1. Förderung von Strukturreformen der Mitgliedstaaten

Die Kommission hat richtig erkannt, dass eine ausgeglichene Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten für das Funktionieren des Euros mindestens so wichtig ist, wie solide öffentliche Haushalte. Im Gegensatz zur Überwachung der Haushalte setzt die Kommission bei Reformen – etwa zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit – auf Zuckerbrot statt Peitsche. Statt einer Bestrafung erhalten reformunwillige Euro-Staaten nun finanzielle Anreize. Dies hat zur Folge, dass die Eigenverantwortung der Euro-Staaten reduziert wird. Mitnahmeeffekte sind zu befürchten, wenn Staaten Geld für Reformen erhalten, die sie ohnehin durchführen würden.

2. Stabilisierungsfunktion – um bei asymmetrischen Schocks die Investitionstätigkeit zu stützen

Die Stabilisierungsfunktion birgt die Gefahr, dass Haftung und Kontrolle nicht mehr zusammenfallen. Finanztransfers für Mitgliedstaaten, die von einem wirtschaftlichen Schock getroffen wurden, verringern deren Eigenverantwortlichkeit, das Eintreten eines Schocks im Vorfeld zu verhindern bzw. seine Überwindung selbst sicherzustellen. Die Knüpfung der Transfers an Bedingungen ist angesichts der in der Euro-Zone gemachten Erfahrungen nicht glaubwürdig. Auf eine Stabilisierungsfunktion ließe sich verzichten, wenn die Staaten ihre Haushalte unter Kontrolle hätten.

3. Europäischer Finanzminister

Ein europäischer Finanzminister stärkt die Kommission und gefährdet das institutionelle Gleichgewicht der EU. Die Zuständigkeit in der Fiskalpolitik, die in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt, sollte dort auch zukünftig belassen werden.

4. Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds (EWF)

Auch nach Übertragung des Stabilitätsmechanismus ESM in einen EWF wird Deutschland in den meisten Fällen das Veto-Recht bei Finanzhilfen beibehalten. Nur in Eilfällen könnte Deutschland theoretisch überstimmt werden. Kleinere Staaten können aber regelmäßig überstimmt werden, was die Frage aufwirft, wie deren nationale Parlamente ihre Budgetrechte künftig wahren wollen. Fraglich ist auch, ob die EU die Kompetenz hat, den ESM in das Europäische Rechtssystem zu überführen. Dass der EWF dem Bankenabwicklungsfonds (SRF) mit bis zu 60 Mrd. € unter die Arme greifen soll, ist grundsätzlich zwar vertretbar. Allerdings muss vermieden werden, dass Euro-Staaten dieses Instrument nutzen, um Kredite – und Auflagen – des EWF zu vermeiden. Essentiell ist, dass die EU-Steuerzahler nicht die Kosten von Bankenabwicklungen im EU-Ausland mittragen müssen. Dafür müssen die Regeln zur Gläubigerbeteiligung („bail-in“) und das Beihilferecht strikt angewandt werden. Darüber hinaus lässt sich Missbrauch nur dann vermeiden, wenn EWF-Hilfe an den SRF erst möglich ist, nachdem der betroffene Mitgliedstaat einen Mindestanteil der Abwicklungskosten übernommen hat.

Lesen Sie hierzu auch:

cepInput Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion – Teil II: Entwicklung der Euro-Zone

cepInput Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion – Teil I: Finanzunion