08-10-2015

Ausdehnung des Schutzes geografischer Angaben wird die Rechtssicherheit erhöhen

Wichtig ist, dass ein zentrales Register geschaffen wird, damit jeder überprüfen kann, ob eine geografische Angabe geschützt ist

Das Europäische Parlament hat die EU-Kommission am Dienstag in einer mit breiter Mehrheit gefassten Entschließung aufgefordert, das EU-weite System zum Schutz geografischer Angaben auch auf nicht-landwirtschaftliche Produkte auszudehnen. Die Entschließung des Parlaments ist zu begrüßen. EU-weite Regelungen für den Schutz geografischer Angaben auch für nicht-landwirtschaftliche Produkte werden die Rechtssicherheit für Verbraucher und Unternehmen erhöhen. Wichtig ist, dass ein zentrales Register geschaffen wird, damit jeder leicht überprüfen kann, ob eine geografische Angabe geschützt ist.

Die EU-Kommission hat mit einem Grünbuch schon im Sommer letzten Jahres den Aufschlag gemacht. Sie erörtert darin, ob und wie geografische Angaben für nicht-landwirtschaftliche Produkte EU-weit geschützt werden können.

Eine geschützte geografische Angabe besteht aus einer Produktbezeichnung – z.B. einem Namen oder einem Symbol –, die die geografische Herkunft eines Produkts enthält. Eine geschützte geografische Angabe kann von allen Produzenten verwendet werden, sofern deren Produkte aus dem angegebenen geografischen Herkunftsort stammen und festgelegte Produkteigenschaften – z.B. Qualitätsmerkmale, Produktionsmethoden oder ein „Ansehen“ – besitzen, die auf diesen Herkunftsort zurückgehen.

Wenn Verbraucher mit der regionalen Herkunft eines Produkts eine bestimmte Produkteigenschaft verbinden, kann eine Herkunftsangabe ihre Suchkosten verringern. Das setzt voraus, dass die Herkunftsangabe nur verwandt werden darf, wenn das Produkt die vom Verbraucher erwarteten Eigenschaften aufweist. Dann kann der rechtliche Schutz der Herkunftsangabe Unternehmen – besonders kleine und mittlere – vor Missbrauch durch Konkurrenten bewahren und so die Bereitschaft zu Investitionen erhöhen. Ein Missbrauch durch Konkurrenten liegt beispielsweise vor, wenn regionale Unternehmen das Ansehen der geografischen Herkunft nutzen, obwohl die Produkteigenschaften nicht den Verbrauchervorstellungen entsprechen.

Bislang werden Herkunftsangaben vornehmlich als Gemeinschaftskollektivmarke geschützt. Diese bietet jedoch nur unzureichende Möglichkeiten, den Unternehmen einer Region die missbräuchliche Verwendung von Herkunftsangaben zu untersagen. Dies ist indes notwendig, da einzelne Produzenten ihren Gewinn steigern können, indem sie auf den Ursprung ihrer Produkte hinweisen, ohne die vom Verbraucher erwartete Qualität zu liefern.

Darüber hinaus wird bei der Eintragung einer Gemeinschaftskollektivmarke nicht geprüft, ob die in der Markensatzung festgelegten Produkteigenschaften den Vorstellungen der Verbraucher entsprechen. Zudem wird nicht geprüft, ob die Vorgaben der Marke anschließend tatsächlich eingehalten werden. Hier handelt es sich lediglich um eine Selbstverpflichtung. Die Einführung einer geschützten geografischen Angabe kann diese Mängel beheben, insbesondere da der Schutz vor Gerichten leichter durchsetzbar ist als eine Selbstverpflichtung. Das stärkt das Vertrauen der Verbraucher in die Herkunftsangaben.

Zweifelhaft ist allerdings, ob der Schutz geografischer Angaben – wie von der EU-Kommission behauptet – Produzenten leichteren Zugang zu staatlichen Fördermitteln und Investitionsbeihilfen ermöglicht. Dies wäre auch deshalb nicht sachgerecht, da Investitionsentscheidungen auf Grundlage von Beihilfen dazu führen, dass knappe Ressourcen entweder ineffizient eingesetzt werden und so strukturelle Anpassungen verzögern oder es zu Mitnahmeeffekten kommt.

Eine generelle Festlegung, ob alle Produktionsschritte am Herkunftsort stattfinden und ob Rohstoffe aus diesem Ort stammen müssen, ist nicht sachgerecht, da die Erwartungen der Verbraucher von Produkt zu Produkt variieren. Es ist Aufgabe der Behörden, bei der Eintragung im Einzelfall zu kontrollieren, ob die geplanten Vorgaben der geografischen Angaben den Verbrauchererwartungen entsprechen.

Dabei müssen die Behörden ferner darauf achten, dass die Anforderungen an ein von einer geografischen Angabe geschütztes Produkt nicht zu restriktiv ausgestaltet sind, da sonst die Gefahr besteht, dass die geografische Angabe marktabschottend wirkt. Denkbar wäre, die Verbrauchererwartungen in einer verpflichtenden, repräsentativen Verbraucherumfrage nachzuweisen, die bei der Beantragung einer geografischen Angabe von den Produzenten vorgelegt werden muss. Dadurch ist sichergestellt, dass Produkteigenschaften entsprechend den Verbrauchervorstellungen definiert werden.

Außerdem sollten nur solche Produkte durch eine geografische Angabe geschützt werden können, die bereits über ein entsprechendes Ansehen, wie eine langjährige, regional verankerte Tradition, verfügen. Anderenfalls läge ein Risiko darin, dass Verbraucher durch die geografische Angabe getäuscht würden. Denn sie würden – auch wenn sie keine bestimmten Erwartungen an die Produkteigenschaften haben – zumindest eine lange Tradition vermuten, die nicht existiert. Zudem wäre es nicht möglich, Produkteigenschaften entsprechend den Verbrauchererwartungen festzulegen, was der originäre Zweck der geografischen Angabe ist.

Die von der Kommission erwogenen Ex-post-Kontrollen stellen sicher, dass Produkte, die durch eine geografische Angabe geschützt sind, auch nach der Eintragung die dafür notwendigen Anforderungen erfüllen. Dies stärkt das Verbrauchervertrauen.

Eine Ausgestaltung der geografischen Angabe als europäischer Rechtstitel bietet gegenüber nationalen Rechtstiteln mit gegenseitiger Anerkennung eine höhere Rechtssicherheit für Verbraucher und Unternehmen, da den Mitgliedstaaten keine Umsetzungsspielräume verbleiben und divergierende Interpretationen durch die nationalen Gerichte auf ein Minimum begrenzt werden.

Eine befristet geltende geografische Angabe kann gewährleisten, dass bei einer Verlängerung der geografischen Angabe regelmäßig überprüft wird, ob die Produkteigenschaften noch den Verbrauchererwartungen entsprechen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine solche Überprüfung gesetzlich vorgeschrieben ist. Zusätzlich wird verhindert, dass ein Register inaktuelle Einträge enthält.

Allerdings verursacht eine regelmäßige Überprüfung und Verlängerung des Schutzes geografischer Angaben Bürokratiekosten. Vor diesem Hintergrund ist eine Anlehnung an die Regelung für Gemeinschaftskollektivmarken sachgerecht. Für diese gilt eine Befristung des Schutzes auf zehn Jahre mit der Möglichkeit, diesen beliebig oft für weitere zehn Jahre zu verlängern.

Durch die Eintragung einer geografischen Angabe in ein zentrales Register lässt sich mit geringem Aufwand überprüfen, ob eine geografische Angabe geschützt ist. Das beschleunigt das Eintragungsverfahren für neue geografische Angaben und erleichtert den Nachweis missbräuchlich verwandter geografischer Angaben. Die Rechtssicherheit steigt.

Dr. Matthias Kullas/Iris Hohmann, Fachbereich Binnenmarkt und Wettbewerb, kullas(at)cep.eu