06.02.18

Geoblocking künftig verboten

Das EU-Parlament hat in Strasbourg wie erwartet die Geoblocking-Verordnung verabschiedet. Damit kann diese voraussichtlich ab Anfang Dezember gelten.

Beim Einkaufen im Internet sollen EU-Bürger künftig nicht mehr unterschiedlich behandelt werden. Bisher war dies aufgrund von Geoblocking möglich. Mit Geoblocking ist die Praxis vieler Online-Händler gemeint, den Zugang zu einem Online-Shop aufgrund der Nationalität, des Aufenthaltsorts oder des Wohnsitzes eines Kunden – also der Herkunft des Kunden aus dem EU-Ausland – zu sperren oder den Kunden zu einer anderen Webseite weiterzuleiten, die auf Kunden aus dem betreffenden Land eigens zugeschnitten ist. Dort gelten dann oftmals andere Geschäftsbedingungen, unter Umständen auch andere Preise. Solche Praktiken werden künftig nur noch mit der Zustimmung des Kunden zulässig sein (Geoblockingverbot). Dies ist zwar zu begrüßen, da für Kunden so mehr Preistransparenz im grenzüberschreitenden Online-Handel hergestellt wird. Allerdings wenden in erster Linie Anbieter von urheberrechtlich geschützten Inhalten – etwa e-books oder Streamingdiensten für Musik, Filme oder Sportübertragungen – diese Form des Geoblockings an. Solche Produkte sind von der Verordnung aber ausgenommen.

Dies kann sich aber noch teilweise ändern. Denn das Europäische Parlament hat durchgesetzt, dass nach zwei weiteren Jahren eine Ausdehnung der Verordnung auf urheberrechtlich geschützte Inhalte – sofern es keine audiovisuellen Mediendienste wie Streaming-Angebote für Filme oder Sportübertragungen sind – geprüft wird.

Am häufigsten kommt es aber ohnehin vor, dass erst die Annahme grenzüberschreitender Zahlungen oder die Lieferung der Ware bzw. Erbringung der Dienstleistung in ein anderes Land verweigert wird. Kunden aus einem anderen EU-Land haben dann nicht die Möglichkeit eines Vertragsschlusses. Zu einem Vertragsschluss werden Händler in solchen Fällen jedoch nur ausnahmsweise verpflichtet sein (Diskriminierungsverbote). Erstens nämlich dann, wenn der Händler, die Lieferung in das Land des Kunden ohnehin bereits anbietet. Ist dies nicht der Fall, muss sich der Kunde die Ware selber abholen oder an einen anderen Ort liefern lassen, an den der Händler liefert. Dies dürfte für den Kunden im Regelfall aber wenig attraktiv sein.

Des Weiteren besteht ein Diskriminierungsverbot bei Waren, die nicht geliefert werden müssen, und bei Dienstleistungen, für deren Erbringung sich der Dienstleister nicht zum Kunden begeben muss. Dies sind zum einen digitale Dienstleistungen oder Waren, wie etwa Clouddienste oder Software zum Download. Zum anderen sind dies Dienstleistungen, die an einem Ort erbracht werden, der unabhängig vom Wohnort oder der Nationalität des Kunden ist, etwa der Verkauf von Eintrittskarten für ein Konzert, die Buchung eines Hotelzimmers oder die Vermietung eines PkW. Gerade in dieser Kategorie waren vermehrt Anbieter dadurch aufgefallen, dass sie stark unterschiedliche Preise anboten, je nachdem aus welchem Land der Kunde auf die Webseite des Anbieters zugriffen hat oder er seinen Wohnsitz hatte. In diesen Fällen kann die Verordnung Diskriminierungen aufgrund der Herkunft eines Kunden tatsächlich verhindern. Sollte es hierdurch zu einer Angleichung der Preisniveaus in den einzelnen Ländern kommen, weil die Kunden die Preise in den einzelnen Ländern nun besser vergleichen und eine Ware oder Dienstleistung gegebenenfalls im Ausland erwerben können, wäre dies nur für einige Kunden von Vorteil. Vermutlich nur in Ländern mit vergleichsweise hohem Preisniveau würden die Preise sinken, währende sie in Ländern mit niedrigem Preisniveau tendenziell eher steigen würden.

Die Auswirkungen der Diskriminierungsverbote dürften jedoch dadurch deutlich reduziert werden, dass Online-Händler weiterhin – dies stellt die neue Verordnung ausdrücklich klar – unterschiedliche Webseiten unterhalten dürfen, die – insbesondere im Hinblick auf die Sprache – jeweils auf unterschiedliche Länder ausgerichtet sind. Auf diesen unterschiedlichen Webseiten dürfen dann auch unterschiedliche Vertragsbedingungen, vor allem unterschiedliche Preise für die gleiche Ware bzw. Dienstleistung, verwendet werden. Die Verordnung verbietet nämlich lediglich, den Zugriff auf bestimmte Webseiten aus dem Ausland zu sperren und auf der gleichen Webseite je nach Herkunft des Kunden unterschiedliche Vertragsbedingungen zu verwenden. Viele Kunden werden aber wohl vermutlich nicht dazu bereit sein, sich in einem ausländischen Online-Shop auf ein unbekanntes Rechtsregime – vor allem auf ein vom Heimatland des Kunden abweichendes Mängelgewährleistungsrecht – sowie die Kommunikation auf einer fremden Sprache einzulassen.

Nichtsdestotrotz sollten Händler weiterhin die Möglichkeit einer Preisdifferenzierung nach Ländern zu haben. Denn aus ordnungsökonomischer Sicht ist eine Preisdifferenzierung grundsätzlich unproblematisch, da sie lediglich Ausdruck einer unterschiedlichen Wettbewerbsintensität in den einzelnen Ländern ist. Auch das EU-Recht erkennt unterschiedliche Niveaus von Angebot und Nachfrage als Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Kunden aus unterschiedlichen EU-Ländern an. Zudem schützt es die freie Preisgestaltung als Ausdruck der grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit. Aus diesem Grund kosten viele Waren auch innerhalb Deutschlands nicht überall das gleiche. Unterschiedliche Preise können zudem viele weitere Gründe haben, etwa ein unterschiedliches Risiko von Zahlungsausfällen oder unterschiedliche Erwartungen der Verbraucher an die Kundenbetreuung eines Anbieters.

Zu begrüßen ist allerdings, dass der EU-Gesetzgeber im endgültigen Entwurf deutlicher klargestellt hat, dass Händler, die ihre Waren und Dienstleistungen – durch die Verordnung gezwungenermaßen – auch an Kunden aus anderen EU-Ländern anbieten, dadurch nicht dem Verbraucherschutzrecht des Herkunftslands des Kunden unterfallen. Der Kommissionvorschlag war insoweit weniger eindeutig und hätte für die Händler eine unverhältnismäßige Rechtsunsicherheit bedeutet. Ebenso ist begrüßenswert, dass das Verhältnis zwischen der Geoblocking-Verordnung und dem EU-Wettbewerbsrecht klargestellt wurde. Hier gab es Unklarheiten, da der ursprüngliche Kommissionsentwurf Vereinbarungen zwischen Zwischenhändlern und Einzelhändlern erfasst hatte, die darauf abzielen Einzelhändlern den passiven Verkauf an Kunden aus einem bestimmten Land zu untersagen. Mit passivem Verkauf ist dabei gemeint, dass der Kunde von sich aus – d.h. ohne eine vorherige Ansprache durch den Händler – etwa durch Werbe-E-Mails – auf den Einzelhändler zukommt, um eine Ware bzw. Dienstleistung zu erwerben. Dies kommt gerade im Online-Handel besonders oft vor. Vereinbarungen zur Unterbindung passiver Verkäufe werden jedoch bereits durch das EU-Wettbewerbsrecht erfasst.

Zu bedauern ist aus Sicht des cep hingegen, dass sich das Europäische Parlament nicht mit seiner Forderung durchsetzen konnte, nur Verbraucher – also nicht gewerbliche Kunden – in den Schutzbereich der Verordnung einzubeziehen. Da die von der Verordnung verbotenen Praktiken selbst gegenüber Verbrauchern zulässig bleiben sollten, ist erst Recht nicht ersichtlich, warum sogar unternehmerisch tätige Kunden geschützt werden sollten. Der endgültige Entwurf geht sogar in die entgegengesetzte Richtung und dehnt das Geoblocking- und die Diskriminierungsverbote im Unterschied zum Kommissionsentwurf sogar auf Online-Marktplätze, wie etwa e-bay oder Amazon, aus.

Im Ergebnis dürfte Geoblocking-Verordnung also nur geringe Effekte auf den grenzüberschreitenden Online-Handel haben. Demgegenüber sind die Diskriminierungsverbote ordnungsökonomisch abzulehnen und verstoßen gegen das EU-Grundrecht auf unternehmerische Freiheit. Hieran ändern auch die im Gesetzgebungsverfahren erfolgten Änderungen an dem Kommissionsvorschlag nichts. Nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments wird die Geoblocking-Verordnung nun im Amtsblatt der EU verkündet und tritt dann zwanzig Tage später in Kraft. Aufgrund einer Umsetzungsfrist von neun Monaten für die betroffenen Händler, werden das Geoblocking- und die Diskriminierungsverbote voraussichtlich ab Anfang Dezember gelten.