05.01.16

EU-Kommissar Oettinger fordert, Polen unter Aufsicht zu stellen

cep-Experte Pötzsch: „Der Tonfall dieser Forderung mag etwas scharf sein – in der Sache ist sie aber wohl angemessen“

Der auch für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger hat wegen des umstrittenen polnischen Mediengesetzes gefordert, das Land unter Aufsicht zu stellen. “Es spricht viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen“, sagte Oettinger gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Dafür werde er sich bei der nächsten Sitzung der EU-Kommission am 13. Januar einsetzen, so der deutsche Kommissar.

„Der Tonfall dieser Forderung mag etwas scharf sein – in der Sache ist sie aber wohl angemessen“, meint cep-Rechtsexperte Urs Pötzsch. „Die EU ist nach ihrem Selbstverständnis eine Wertegemeinschaft, die sich vor allem auf die Achtung der Menschenrechte, Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit gründet. Um diese Werte zu schützen, kann die EU gegen einen Mitgliedstaat, der diese Werte schwerwiegend und anhaltend verletzt, Sanktionen verhängen“, erläutert Pötzsch.

Um schon unterhalb dieser Schwelle handeln zu können, wurde 2014 der EU-Rechtsstaatsmechanismus geschaffen. Danach tritt die EU-Kommission mit dem betreffenden Mitgliedstaat in einen strukturierten Dialog, sobald ihr Hinweise für eine systematische Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit vorliegen. Ziel des strukturierten Dialogs ist es, die festgestellten Probleme einvernehmlich zu lösen und so die Anwendung von Sanktionen zu verhindern.

„Der EU-Rechtsstaatsmechanismus ist bei richtiger Anwendung ein relativ geräuschloses Instrument und ermöglicht damit allen Beteiligten, das Gesicht zu wahren – ein wichtiger Grundsatz im politischen Betrieb der EU“, erklärt Pötzsch. „Gerade angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen sich die EU derzeit konfrontiert sieht, dürften die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten kaum an einer Eskalation interessiert sein“, so der Experte.