10.09.14

Ernennung Moscovicis birgt Risiko für EU-Haushaltsdisziplin

Der Druck der EU auf mehr Haushaltsdisziplin und Strukturreformen in den EU-Mitgliedstaaten wird durch die Ernennung des ehemaligen französischen Finanzministers Pierre Moscovici zum EU-Kommissar für Wirtschafts- & Finanzangelegenheiten, Steuern & Zoll noch schwächer. Ob die neue Struktur der Kommission mit ressortübergreifenden Vizepräsidenten daran etwas ändern kann, wird sich erst noch zeigen müssen.

Die Franzosen haben sich mal wieder durchgesetzt. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt lässt viel Interpretationsspielraum zu. Deren Ausfüllung liegt beim ‚Fachkommissar‘. Und der soll Moscovici werden, der bislang nicht als Anhänger von Strukturreformen und Haushaltsdisziplin aufgefallen ist. Wenn Moscovici als zuständiger ‚Fachkommissar‘ kein Defizitverfahren einleiten will oder keine strengen wirtschaftspolitischen Empfehlungen an Mitgliedstaaten formulieren will, kann ihn der zuständige Vize-Präsident nicht dazu zwingen. Dieser kann Politikvorhaben des Fachkommissars zwar blockieren, aber nicht erzwingen.

Es bleibt nur die Hoffnung, dass Moscovici die Haltung wechselt und ihn zukünftig seine Kommissionsbeamten von Sinn und Notwendigkeit eines streng ausgelegten Stabilitäts- und Wachstumspakts werden überzeugen können. In diesem Fall könnte gerade ein französischer Sozialist besser Druck auf die französische und italienische Regierung ausüben als ein nordischer Konservativer oder Liberaler. In Deutschland führte immerhin auch der Sozialdemokrat Gerhard Schröder vor einem guten Jahrzehnt wesentliche Reformen durch.

Grundsätzlich begrüßt das cep die neue Struktur der EU-Kommission mit herausgehobenen Vize-Präsidenten, weil sie die Arbeit der Kommission effektiver machen kann. Durch die neuen Vizepräsidenten können die politischen Prioritäten klarer definiert werden. Wichtige Projekte werden nun federführend bei einem Vize-Präsidenten angesiedelt, der dann die Arbeit mehrerer Fachkommissare ‚steuert und koordiniert‘. Die Tatsache, dass für neue EU-Vorhaben das Einverständnis der Vizepräsidenten notwendig ist, lässt hoffen, dass die Regulierungsflut eingedämmt werden wird.

Auch wenn alle Kommissare über eine Stimme verfügen, wird rein faktisch aber ein Zwei-Klassen-System in der Kommission eingeführt, was die Frage aufwirft, inwieweit dies dem Geist der EU-Verträge widersprechen könnte.

Problematisch ist auch, dass die Kompetenzen auf beiden Ebenen nicht kongruent sind. Einzelne Fachkommissare unterstehen nicht nur einem einzigen, sondern mehreren Vizepräsidenten. Das ist ein Problem. So wird Moscovici als ‚Fachkommissar‘ sowohl mit dem für Wettbewerbsfähigkeit zuständigen Vizepräsidenten Jyrki Katainen als auch mit dem für den Euro zuständigen Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis zusammenarbeiten müssen und können. Dies eröffnet die Gefahr, dass ein Fachkommissar Politik zwischen den Vizepräsidenten hindurch, und damit unter Umständen auch über sie hinweg macht.

Autor: Prof. Dr. Lüder Gerken, Vorstand des cep